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Der Weise der Steine
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Der Weise der Steine

08.01.2013

Wann ist der Affe zum Menschen geworden? Als er lernte, auf zwei Beinen zu gehen und seine Hände zu gebrauchen, als er sesshaft wurde, Städte baute, Ackerbau und Viehzucht betrieb, als er das Feuer zähmte und Werkzeuge erfand.


Untersteinbach. Vor allem aber war er Künstler, der erste Mensch. Denn kaum hat er angefangen, mit zwei Beinen eigenartige Spuren zu hinterlassen auf dem alten Planeten, der Mensch, da waren auch Kunstwerke dabei, Malereien in den Höhlen oder Steinfiguren. Sinn- und zwecklos sind sie gewesen, diese Kunstwerke, auch wenn man heute keltisch Kultisches hineindeutet oder Magie.

Das enthält vielleicht auch ein Körnchen Wahrheit, mehr aber nicht. Viel richtiger ist: Der Mensch wollte,
als er das Laufen lernte, die Welt ein bisschen schöner machen. Schönheit ist der Antrieb für Manfred Reinhart
in Untersteinbach. In der Scheune am Ortsrand könnte alles Mögliche stehen oder lagern, einTraktor
oder ein Mähdrescher, Heu oder Brennholz. Stattdessen ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass der Besucher von einer Staubwolke empfangen wird, wenn er sich dem meist weit geöffneten Tor nähert.

Klar, man ist ja im Steigerwald, und Menschen im Steigerwald sind immer am Werkeln,sie sägen, bohren und schleifen. Folgerichtig erblickt man hinter der Staubwolke einen vermummten Menschen in Arbeitskluft, weiß wie der Stein, den er mit einer Flex traktiert, dass es nur so kreischt. Er schaltet die Maschine aus, nimmt die Schutzbrille ab und schüttelt sich den weißen Staub aus den Haaren. Es dauert ein paar Minuten, bis die Staubwolke den Blick auf dasWerkstück freigibt.Manfred Reinhart ist gerade dabei, den überflüssigen Stein von einer Skulptur zu entfernen, die sich in dem Marmorblock versteckt.

Der Untersteinbacher, Jahrgang 1964, ist mit Steinen groß geworden.Sein Bruder führt, nur einen Steinwurf
von Manfreds Scheue entfernt, einen klassischen Steinmetzbetrieb. Lärmende Maschinen und Staubwolken
haben Manfred Reinhart von Kindesbeinen an begleitet. Schon im Kunstunterricht in der Schule lockte ihn der
Gedanke, den Stein zu formen wie es Michelangelo tat und die anderen großen Meister. Die waren schon immer dort zuhause, wo der Marmor gebrochen wird, in Italien. Manfred Reinhart studierte die Bildhauerei in Florenz und in Carrara und kammit einem Summa-cum-laude-Diplom zurück in den Steigerwald.
Der Weise der Steine
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Hier wächst eigentlich Sandstein,Gips oder Keuper, kein Marmor. Was hat ihn zurückgezogen nach Untersteinbach, den Künstler mit italienischem Schliff? Was ist es überhaupt für ein Mensch, der es mit der Urgewalt des Steins aufnimmt und sein Tagwerk darin sieht, Schönes zu schaffen?

Manfred Reinhart redet gerne über die Kunst, die Künstler und den Stein, sehr ruhig, bedächtig, fast vorsichtig,
und sein Blick schweift immer wieder in die Ferne, scheinbar auf der Suche nach dem Schönen, das doch recht selten ist in einer Zeit, die so reich und doch einwenig armselig ist. „Man steht vor den alten Häusern, den Kirchen und Schlössern und bewundert die Handwerkskunst der vergangenen Zeit“, sagt der Untersteinbacher. „Der Sinn fürs Schöne ist denMenschen also nicht abhanden gekommen. Aber es gibt kaum jemanden, der etwas dafür tun will“. Oder kann?

In den ältesten und nach heutigen Maßstäben armen Bauernhäusern finden sich Stuckdecken, verzierte Balken und Wandmalereien. Keltisches oder Kultischeswird da keiner hineindeuten wollen. Auch im ländlichen Franken trieb die Suche nach dem Schönen im grauen Alltag die Menschen an. Sie schufen sich Inseln der Schönheit im Haus oder Garten. Heute gibt es Stuck im Baumarkt, pflegeleicht aus aufgeschäumten
Kunststoff und gleich mit Klebstoff geliefert, pinkelnde Putten für den Garten aus der Gipsfabrik und
bunte SolarleuchtenMade in China.

Schönheit zum Discountpreis?

Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander in diesen Tagen. Für die Ästhetik des Sechszylinders mit den Alufelgen jedenfalls wird klaglos mehr Geld investiert als in eine Marmorskulptur made in Untersteinbach oder sonstwo. Stellt Manfred Reinhart nüchtern fest und lässt den Blick mal wieder in die Ferne schweifen.
Manfred Reinhart ist zurück in den Steigerwald gekommen, um „hier etwas zu bewegen“ in der Kunstlandschaft, wie er sagt. Viele Jahre, Jahrzehnte, war die klassische Bildhauerei nicht nur, aber vor allem in Deutschland verpönt, nachdemdieNationalsozialisten über sie deutsches Kulturgut definiert hatten. Das Pendel schlug nach dem Krieg in die andere Richtung, in Richtung der Fettecken und Installationen aus ungespülten Konservendosen.

„Provozieren kann jeder Dilettant, ein Künstler dagegen ist vor allem ein Könner“, schrieb ein Kunstprofessor
einmal über Reinharts Werke. Wer sich in Italien zum Künstler formen lässt, beginnt tatsächlich als Anatom,
er studiert den menschlichen Körper und all seine Ausdrucksformen; dann wird er im Kampf mit der
Urkraft der Steine zum Handwerker , ehe sich der Künstler herausschält wie die Figur aus dem Fels. „Es ist ein langer Weg, der sich bei jedem neuen Werk wiederholt“, sagt Manfred Reinhart über sein Selbstverständnis als
Kunst-Schaffender.

Die Sprache seiner Werke ist Italienisch. Glatt, fließend, spannungsgeladen sind die Figuren, die aus den
Staubwolken in der Scheune ans Lich streben.Manfred Reinhart ist ein gutes Stück jenseits der Alpen geblieben,nicht nur, weil er seine Frau aus Italien mit in den Steigerwald gebracht hat. Manfred Reinharts Handy klingelt, und die Gattin ist dran. Es geht um die Brotzeit für die Steinarbeiter in der Scheune, die Manfred Reinhart aus aller Herren Länder immer wieder zu sich einlädt. Brotzeit. Das klingt nach Steigerwald,
aber mit seiner Frau spricht der Untersteinbacher Künstler Italienisch. Fließend, weich, elegant. Brotzeit machen heißt mangiare, Mineralwasser aqua minerale, dankeschön grazie mille... Bene. Schön.

In der Aufnahme

Schöner macht er die Welt, der Manfred Reinhart in Untersteinbach, mit jedem Hammerschlag, mit jeder Staubwolke und sogar mit jedemWort.


Quellenangabe: Fränkischer Tag / Hassberge / 2012 / Autor - Fotos Günter Flegel

Für die gelisteten Darstellungen trägt der Autor die redaktionelle Verantwortung.

Die Informationen geben ausnahmslos die Meinung des Verfassers, nicht eine Stellungnahme unserer Organisation wieder. - Artenschutz im Steigerwald / Artenschutz in Franken
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