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Frankens letzter Trapper
Bild zum Eintrag (45509-160)
Ein Leben mit der Bisamratte

13.04.2012

Der Unterfranke Roland Trapp ist viel herumgekommen. Mittlerweile ist der Lebenskünstler heimgekehrt an die Fränkische Saale und macht, was er immer tat: Er jagt die Bisamratte.

Kleinbrach - ( Ufr. )
Vielleicht ist Roland Trapp ein bisschen so wie die Viecher, die er jagt. Einer, der eine Nische besetzt hat. Einer, der mit wenig zufrieden ist. Einer, der unterschätzt wird. Roland Trapp ist 58 Jahre alt und fängt Bisamratten. Seit 40 Jahren macht er das. Den ersten Bisam hat er abgezogen, da war er acht. Seit er in die Schule ging, rufen ihn die Menschen Bisam. Aber Roland Trapp beschwert sich nicht.

Das Haus liegt direkt an der Saale. Der Radweg führt hier vorbei, man kann von Kleinbrach in einer Schleife wieder nach Kleinbrach fahren und den Luitpoldstrudel zwischen Bad Kissingen und Bad Bocklet anschauen. Die meisten, die hier vorbeikommen, sind ältere Radler mit Sonnenbrillen aus buntem Horn und beigen Windjacken. Die Frau, die an diesem Vormittag am ehemaligen Schleusenwärterhaus vorbeifährt, trägt eine rote Windjacke, die der Fahrtwind aufbläht, und radelt einige Meter hinter ihrem Mann.

Sie stoppt, schaut, fragt. Irgendwas von „Schwoben“ sagt sie, singt dabei fast und lacht. Sie muss Roland Trapp für eine Art Eingeborenen halten. Der läuft zwischen Haus und Schuppen herum, hagere Gestalt, Drahtbürstenbart, Zigarette im Mund. Auf einer Bank stehen Fallen, solche, die man aufspannen muss, die dann zuschnappen und Genicke brechen. „Und was macht ihr“, fragt die Frau. „Wir fangen unser Abendessen“, sagt Roland Trapp. Wahrscheinlich grinst er dabei. So genau sieht man das nicht. Der Bart teilt Roland Trapps Gesicht in zwei Hälften. Unten, unter den Haaren, liegt der Mund, darüber hüpfen die Augen.

Die Frau lacht mit, keucht, winkt ab. Sie glaubt ihm nicht. Roland Trapp lacht jetzt lauter, rasselnd, meckernd, die Zigarette immer noch zwischen die Lippen gepresst. „Bisambraten.“ Die Touristin lacht jetzt nicht mehr. Sie möchte schnell verschwinden, was schwierig ist: Schienbeine und Pedale kommen sich in die Quere.

Roland Trapp kennt die Reaktion. Er fädelt die Fallen auf einen Stock. Sechs Stück, mit langen Ketten dran und Schildern. Staatliche-Bisam-Bekämpfung-Bayern. Schwarzes Metall, mit Nieten, irgendwie offiziell. Bevor er die Fallen mit den Schildern hatte, verschwanden Fallen oder wurden zerstört, es ist besser geworden. Roland Trapp sagt, man muss den Bisam bekämpfen. Die Tiere graben Höhlen in die Uferböschungen, steigt das Wasser, spült der Fluss das Land weg. In den 1970er Jahren soll in der Nähe einmal ein Traktor in die Saale gestürzt sein, weil plötzlich der Boden nachgab, erzählt Roland Trapp. Er bohrt seine Fersen in den Matsch und klettert die Böschung hinunter. Ein guter Fangplatz. Roland Trapp viertelt einen Apfel und steckt den Köder auf die Falle. Mit beiden Händen presst er die Eisenbügel auseinander und hängt eine kleine Drahtschlaufe ein. „Vogelschutz“, sagt er.

Eine dieser Fallen habe er selbst mitentwickelt. Einige Jahre ist das her. „Ich möchte nicht, dass sich das Viech quält“, sagt er und schiebt die Falle einige Zentimeter ins Wasser. Im Frühjahr ist Fangsaison. Jetzt sind die Männchen aktiv. „Wandern und rammeln“, sagt er. Jetzt erwischt er sie.

Roland Trapp hat einmal Werkzeugmacher gelernt, keine 500 Meter entfernt vom Elternhaus. Er konnte über die Wiesen zur Arbeit laufen. Dann kam die Bundeswehr, dort hat er Panzer repariert, bis er sich die Hand einklemmte und der Daumennerv riss. Die Karriere als Feinmechaniker war zu Ende. Er ging ins Hotel: Liftboy, Hausdiener, Nachtportier. Und weiter. Schliersee. Eine Alm. Er arbeitete als Seilbahner, engagierte sich bei der Bergrettung. Zum Beispiel 1985: Eine Schneelawine, sieben Verschüttete, sechs Tote. Sie wollten die Suche abbrechen, ein zwölfjähriges Mädchen wurde noch vermisst. Roland Trapp war damals bei der Einsatzleitung. „Mit Bitteln und Betteln hab ich die anderen überzeugt, dass wir doch noch rein sind.“ Sie haben das Mädchen lebend ausgegraben, nachts, um dreiviertel neun.

Er musste damals raus, weg, Neues sehen. Das hat ihn geprägt, sagt er. Roland Trapp erzählt die Geschichte, als er die Fallen kontrolliert. Drei Bisams hat er gefangen, bei den anderen drei Fallen schnitzt er die braunen Stellen von den Äpfeln und stellt sie neu. Die Bisams zieht er ab. Er hängt sie an den Türstock des Schuppens, knotet sie am Schwanz fest. Zwei kreisrunde Schnitte an den Hinterbeinen, einen am Schwanz. Wie bei einem Stallkarnickel. Trapp schneidet vorsichtig, schabt eher, wie beim Rasieren.

Am Kopf macht er noch langsamer. Zieht er zu stark, hängt der Kopf im Fell oder das Fell reißt. Die Kürschner zahlen sonst noch weniger. Roland Trapp verkauft das Fell. Zwischen zwei und vier Euro bringt eines. Früher bekam er 25 Mark für das Fell, damals fing er in einem guten Jahr 2500 Bisam. „Heute ist das eher ein Ehrenamt, damit kannst du nichts verdienen“, sagt er. Er hat den zweiten Bisam fast abgezogen. Das Fell hängt dem Tier wie ein Gummihandschuh über die Ohren. Roland Trapp reißt dem Bisam die Schnurrhaare aus, legt sie in eine Seifendose. Daraus soll später eine Art Gamsbart werden, für den Hut.


Stück Zeitung gegen die Sauerei


Die meisten Radler fahren jetzt weiter, wenn sie Roland Trapp mit dem Messer hinter dem toten Bisam sehen. Trapp hat ein Stück Zeitung auf den Beton gelegt, gegen die Sauerei. Seine Mutter will das so. Sie lebt in dem Haus an der Saale. Roland Trapp und seine Brüder kümmern sich abwechselnd um sie, in den vergangenen Jahren haben sie das Haus renoviert, mindestens einmal am Tag kommt er vorbei, schaut nach. Jetzt steht die 82-Jährige im Hauseingang, sie trägt Stirnband und Kittelschürze und hält eine Schüssel mit Kloßteig. „Macht er wieder Sprüch“, fragt sie, wenn Roland Trapp den Touristen Geschichten erzählt.

Roland Trapp hat Lamm mitgebracht und in Buttermilch eingelegt. Das Abendessen. Er hat das Lamm von einem Bekannten bekommen, dem er geholfen hat. Manchmal ist die Bezahlung ein Lamm, ab und zu etwas Geld, das reicht. Wenn es wieder wärmer wird, arbeitet Roland Trapp bei der Gemeinde, er hilft dort dem Gärtner. Im Sommer bewacht er das Festzelt im Nachbarort, der Sportverein ist froh, wenn Roland Trapp nachts dort aufpasst.

Roland Trapp ist jetzt wieder zurück. Er wohnt heute zwei Dörfer weiter in einem Hotel, das kein Hotel mehr ist. Die Zimmer sind dauervermietet, die Wirtschaft öffnet jeden Tag um fünf, alle Getränke kosten 1,50 Euro. Es gibt nur Getränke. Man kann es aushalten, sagt Roland Trapp. Er zieht eine Zigarette aus der hellblauen Schachtel. Starlight steht auf der Packung, darin der Vorrat selbstgestopfte. „Das, was ich jetzt habe, das reicht mir“, sagt er, spannt die drei Bisamfelle auf ein Drahtgestell und hängt sie auf die Wäscheleine. Sein Ursprung sei hier. An der Saale, bei der Familie, zwischen den Bisams.

Roland Trapp war einmal verheiratet, hat zwei Söhne und wird demnächst Opa. Aber das mit der Ehe, das hat nicht richtig funktioniert. Einfangen lassen wollte er sich nicht. Er schneidet ein fingerlanges Stück vom Bisamschwanz ab. Früher, als die Bisamjagd noch staatlich organisiert war, zahlte das Landratsamt Fangprämien. Heute darf jeder selbst den Schädling jagen. Manche Kommunen zahlen pro Schwanz eine kleine Prämie, aber eigentlich interessiert der Bisam niemanden mehr.

Roland Trapp ist trotzdem seit zehn Jahren Oberjäger, so steht es auf einem bunten Ausweis. „Ich habe 74 Leute unter mir“, sagt er. Vielleicht kann er deshalb nicht mit dem Jagen aufhören. Er steht in der Pflicht. Sein Großvater hat schon Bisams gejagt, dann sein Vater, jetzt er. Bisam ist Tradition. Vielleicht ist Roland Trapp einer der letzten Trapper in einer modernen Welt. Er sagt, Schenkel und Lende des Bisam seien Delikatessen. Manchmal bringt er das dunkelrote Fleisch Bekannten.

Er selbst hat noch nie einen Bisam gegessen. Früher, als sein Vater und Großvater den Bisam jagten, waren die Tiere Ratten. Und Ratten isst man nicht. Roland Trapp sagt, der Bisam ist keine Ratte. Essen mag er ihn trotzdem nicht. Es hat mit Respekt zu tun.

Quellenangabe: Fränkischer Tag / 13.04.2012 / Autor und Foto Tobias Köpplinger


Für die gelisteten Darstellungen trägt der Autor die redaktionelle Verantwortung.

Die Informationen geben ausnahmslos die Meinung des Verfassers, nicht eine Stellungnahme unserer Organisation wieder. - Artenschutz im Steigerwald / Artenschutz in Franken




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