Sie alle engagieren sich gemeinsam mit Artenschutz in Franken® für eine intakte Umwelt
ARTENSCHUTZ IN FRANKEN®

Im Sinne uns nachfolgender Generationen
Ausgezeichnet

Home

Über Uns

Aktuelles

Der Steigerwald

Diverses

Pflanzen

Projekte

Publikationen

Tiere

Umweltbildung

Webcams
Fleischfresser im Aischgrund
Bild zum Eintrag (47671-160)

Fleischfresser im Aischgrund

30.06.2012

Wenige Aischweiher beherbergen die letzten Exemplare einer fleischfressenden Pflanze, die mit einem raffinierten System ihre Beute fängt. Johannes Marabini vom Umweltamt weiß, wo man die Spezialisten zu Gesicht bekommt.


Höchstadt -
Der Weiher liegt stumm in einem Winkel des Waldes. Alte Birken verrotten im Wasser. Mooriger, weicher Untergrund dämpft die Schritte. Eine stille Idylle im Aischgrund. Doch dort unten im trüben, brackigen Gewässer passiert etwas. Es tost ein Überlebenskampf. Fressen und gefressen werden. Ein Kampf der Arten, ein stiller, nicht wahrnehmbarer Raubzug eines schlauen, hoch spezialisierten Fleischfressers von ganz besonderer Raffinesse. „Hier haben wir ihn.“ Johannes Marabini deutet auf die Wasseroberfläche. Ein paar Zentimeter darunter sieht man die Schlingen einer Pflanze. Es sieht aus wie eine Mischung aus Tang und Moos. Braun und grün. Unspektakulär.

Pflanze verdaut tierische Nahrung

Aber das, was Johannes Marabini, Biologe vom Umweltamt des Landkreises Erlangen-Höchstadt, über die unscheinbar im Wasser dahin tümpelnde Pflanze zu berichten weiß, ist beeindruckend. „Utricularia bremii, gemeinhin Bremi Wasserschlauch genannt, ist eine extrem seltene, fleischfressende Pflanze. Sie ist europaweit quasi nur noch in den sechs Weihern im Aischgrund heimisch. Im Sebalder Reichswald gibt es einige wenige Fundstellen. In Hessen ist noch ein kleines Biotop bekannt. Moment, ich hole mal einen Ast.“ Der 52-jährige Biologe fischt eine der Schlingen aus dem Weiher. Man muss schon genau hinsehen, um zu verstehen, was dieses schleimige Gewächs so einzigartig macht.

„Hier, die kleinen schwarzen Punkte, das sind die Blasen. Es sind die Fallen für seine Nahrung. Bremi Wasserschlauch hat keine Wurzeln. Er lebt komplett unter Wasser und zieht seine Nährstoffe aus der Verdauung von Kleinstlebewesen“, erklärt der Botaniker. Auf der Speisekarte des Wasserschlauchs stehen kleine Insekten, vor allem Wasserflöhe, aber auch Zuckmückenlarven und anderes tierisches Plankton.


Schnelle Bewegung

Und die Art und Weise, wie er seine Beute in seine Fänge bekommt, ist ausgetüftelt: „An den kleinen Blasen befindet sich eine Öffnung, die mit Fühlborsten ausgestattet ist. Berührt nun ein Wasserfloh diesen Sensor, öffnet sich eine Klappe ins Innere der Blase. Der so entstehende Unterdruck saugt das Tier ein, die Klappe schließt sich und los geht’s mit der Verdauung. Das ist quasi ein High-Tech-Jäger im Mikrobereich“, verdeutlicht Marabini den Prozess. Der Einsaugvorgang gilt als eine der schnellsten Bewegungen im Pflanzenreich. Weniger als zwei Millisekunden liegen zwischen Öffnen und Schließen der Klappe.

Die Enzyme, die die Insekten im Inneren zersetzen, seien der menschlichen Magensäure gar nicht so unähnlich, meint Marabini. Ein Artverwandter also? Nein. „Es handelt sich immer noch um eine Pflanze. Der Wasserschlauch betreibt natürlich Photosynthese. Aber er ist eben bei der Nährstoffgewinnung ein Karnivor, oder auch Insektivor. Also ein Fleischfresser.“


Spezialist ohne Wurzeln

Ganze Karpfen seien noch nicht in den Blasen gefunden worden, sagt der Biologe lachend. Die Fallen sind gerade einmal ein bis zwei Millimeter groß. Aber er möchte nicht ausschließen, dass auch einmal einer der kleinsten, gerade geschlüpften Fische dem Bremi zum Opfer gefallen ist.
Den Teichwirten kann der Wasserschlauch aber schon deshalb nicht zum Ärgernis werden, da er höchst selten ist. Marabini hält das tropfende Geflecht in die Höhe: „Nur in einem bestimmten Umfeld findet man ihn. Da er ein Spezialist ist und auch ohne Wurzeln überleben kann, braucht er vor allem nährstoffarme, saure Gewässer. Das Wasser der normalen Fischteiche ist dem Wasserschlauch viel zu nährstoffreich.“

Bei den sechs letzten Aisch-Weihern, in dem der Schlingel sich noch tümmelt, handelt es sich um alte, aufgelassene Weiher. Ausnahmsweise ist es nicht der Mensch, der den Fleischfresser auf die Rote Liste der aussterbenden Arten drängt. Frischwasser und Fischbestände sind die Feinde des Wasserschlauches.

Um das perfekt moorige und saure Klima zu schaffen, hat der Landkreis zusammen mit dem Landschaftspflegeverband Mittelfranken das sogenannte „Lebensraumnetz Moorweiher und Niedermoore“ ins Leben gerufen. „Es geht dabei natürlich nicht ausschließlich um den Schutz des Wasserschlauchs. Es gibt etwa auch noch den rundblättrigen Sonnentau, der mit seinen klebrigen Blättern Insekten fängt“, sagt der Umweltbeauftragte. Aber auch andere bedrohte Arten wie den Moorfrosch, das Wollgras oder bestimmte Moossorten sind Teil des Schutzprojektes.

Zur Umnutzung kauft der Landkreis aufgelassene Weiher an, die nicht mehr zur Fischzucht verwendet werden, um sie zu einem Biotop für bedrohte Arten umzufunktionieren. Hier geht es vor allem um die sogenannten Himmelsweiher, die sich fast ausschließlich aus Regenwasser speisen. „Sich selbst überlassen kann man diese Moorweiher allerdings nicht. Käseglocke funktioniert nicht“, sagt Johannes Marabini.


Gelber Blütenteppich


Der Bremi Wasserschlauch – der Präfix Bremi kommt wohl vom Entdecker und Erstbeschreiber – fühlt sich jedenfalls in den sechs Weihern im Aischgebiet sichtlich wohl. Bis in die 80er Jahre ging man noch davon aus, die Art sei ausgestorben. Dass sie nur verschollen war, also nur sehr wenige Exemplare im Verborgenen überlebten, stellte der Höchstadter Hobby-Botaniker Hans Krautblatter im Sommer 1985 fest. Bei einem Rundgang durch den Wald fiel ihm zufällig der gelbe Blütenteppich des seltenen Fleischfressers auf.
Im Moment liegt die Pflanze unscheinbar im Moorwasser. „Aber bald ist es soweit“, verspricht Marabini. „Man sieht schon wieder die ersten Stengel aus dem Wasser ragen. Bald wimmelt es hier vor den gelben Blüten des Fleischfressers.“

In der Aufnahme

In die kleinen schwarzen Fangblasen saugt der Wasserschlauch kleine Insekten ein.

Foto Christian Bauriedel




Quellenangabe: Fränkischer Tag / Bamberg / 30.06.2012 / Autor und Fotos Christian Bauriedel


Für die gelisteten Darstellungen trägt der Autor die redaktionelle Verantwortung.

Die Informationen geben ausnahmslos die Meinung des Verfassers, nicht eine Stellungnahme unserer Organisation wieder. - Artenschutz im Steigerwald / Artenschutz in Franken