Sie alle engagieren sich gemeinsam mit Artenschutz in Franken® für eine intakte Umwelt
ARTENSCHUTZ IN FRANKEN®

Im Sinne uns nachfolgender Generationen
Ausgezeichnet

Home

Über Uns

Aktuelles

Der Steigerwald

Diverses

Pflanzen

Projekte

Publikationen

Tiere

Umweltbildung

Webcams
Seite:
1
|
2
|
3
Wilhelms Tagwerk 2008
Bild zum Eintrag (53736-160)
Wilhelms Tagwerk 2008

10.08.2008

Wilhelm Kübrich aus der Gemeinde Rauhenebrach
wird heuer 70. Trotzdem denkt der Theinheimer nicht daran, seinen Bauernhof aufzugeben, den er auf traditionelle Art undWeise wie einst sein Vater und sein Großvater bewirtschaftet.

Wilhelm Kübrich in Theinheim ist ein Mensch, der nichts wegwerfen kann. Der Satz prägt sich ein
nach dem langen Gespräch auf der Eckbank in derWohnküche, die in aller Bescheidenheit so einladend ist, wie ein Zimmer überhaupt nur sein kann.

Hier istman zuhause. Die Anrichte fällt ins Auge, ein Teil, das man heute im Möbelmarkt vergeblich sucht.DerHolzherd und der große Alu-Topf, der auf ihmsteht, lassen keinenZweifel daran, dass hier schon viele Menschen satt geworden sind. Es duftet nach frischen Bohnen, die es zum Mittagessen gibt, nach Bohnenkraut und anderen feinen Sachen, die nicht aus dem Supermarkt kommen, sondern
aus demBauerngarten hinter dem Haus. Frisches Bohnenkraut. Das gibt es im Supermarkt nicht mal. So duftet die Kindheit im Dorf.

Von seiner Kindheit plaudert Wilhelm Kübrich, vom Wetter und vom Leben im Dorf, vom Mais, der auf den Feldern heuer „nicht vom Hintern“ wachsen will, weil es so wenig regnet, von den Ersatzteilen für das alte Fendt- Dieselross, von den veredelten Apfelbäumchen und denTräubeln amHausstock, von den Politikern und von den Dingen, die immer teurer werden.

Ein Stückchen Erde

Wilhelm Kübrich plaudert gerne, und er hat viel zu sagen nach fast 70 Jahren auf seinem Tagwerk, einem Stückchen Erde, das er wie selbstverständlich bearbeitet wie sein Vater und der Großvater, die den Hof im Schweiße ihres Angesichts aufgebaut haben. Warum eigentlich? Ist es Nostalgie? Hängt er an der guten alten Zeit? Wüsste er mit sich nichts anzufangen ohne die Arbeit auf demFeld und im Stall?

Nein, das ist es alles nicht, sagt Wilhelm Kübrich und fährt sich mit den abgearbeiteten Händen durch das graue Haar. Es ist so, dass er nichts wegwerfen will, was andere geschaffen haben. Und da gehört der Hof dazu in aller Bescheidenheit. Dazu gehören der Herd in derKüche und derTopf auf dem Herd.Ein kleines Stück von dieser Welt, das Wilhelm hegt und pflegt.

Als Tagwerk hat man so ein Stückchen Land einst bezeichnet, das ein Mann an einem Tag bestellen kann. Das waren um die 3500 Quadratmeter, 35 Ar, ein Zehntel Hektar. Nicht der Rede wert ist diese Größenordnung in den Dimensionen, in denen die moderne Landwirtschaft denkt, deren Maschinen von Computern und Satelliten gesteuert über den Acker donnern.

Als Wilhelm Kübrich 1938 geboren wurde, in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, war man im Steigerwald alles andere als auf Rosen gebettet. Trotzdem ging es den Menschen auf dem Land in den Notzeiten besser als den Städtern. Auch wenn es oft nur Kartoffeln und dicke Milch gegeben hat, ist man satt und warm geworden am Herd in der kleinen Wohnküche.

Ein Bett im Kornfeld

Acht Kinder waren die Kübrichs, und man fragt sich,wo sie wohl alle geschlafen haben in dem Häuschen mit der Nummer 10 in Theinheim.Das damals sogar noch kleiner war und seither mehrmals an- und umgebaut wurde. „Wenn wir eingeschlafen waren, hat uns die Mutter immer an dieWand gestellt, damit mehr Platz ist“, witzelt Wilhelm Kübrich.

Gute alte Zeit?

Ja, gut ist es ihnen gegangen, plaudert er, „wir hatten sogar Federbetten“. Die Matratzen allerdings waren
Strohbündel vom eigenen Feld, immer wieder frisch gebunden. „Da haste den Rücken nicht gespürt wie heute mit diesen Schaumstoffdingern“. Gut geht es ihm 70 Jahre später immer noch daran lässt der Wilhelm mit seinen Lausbubenaugen keinen Zweifel. Das Tagwerk hat, als Wilhelm Kübrich ein Lausbu bwar, nicht nur die acht Kinder, Vater und Mutter ernährt, sondern sogar noch Flüchtlingsfamilien aus Bamberg und aus dem Saarland.

„16 hungrige Mäuler waren wir“.

Wieder muss Wilhelm mit seinen Handwerkerhänden Frisurpflege betreiben. „Man ist halt zamgerückt“.
Was heute ein Mähdrescher im Vorbeifahren erledigt, forderte damals die ganze Familie, die Dorfgemeinschaft. „Jedes Haus hier war ein Bauernhof“, plaudert Wilhelm Kübrich, während die Katze in die Küche spitzt und sich am Tischbein den Buckel kratzt.

Diese über die Jahrhunderte gewachsene und bewährte Dorfkultur ist bis aufwenige Ausnahmen verschwunden. Das normale Dorfleben heute ist viel weniger bescheiden als das Tagwerk von Wilhelm Kübrich und doch in vielemso viel ärmer.

Ein Flecken Land, drei Milchkühe, die alle einen Namen haben, ein paar Kälber,Emil, die Sau, zehn Hühner, einige Katzen, der Misthaufen vor der Haustür und die Schwalben im Stall. Während sich rundum die übliche Ödnis der Schlafsiedlungen breit macht, ist beim Wilhelmnoch was los. Früh geht es in den Stall, wird gemolken, ausgemistet und gefüttert, das Dieselross angeworfen, Gras gemäht, Heu gewendet, geackert und gesät.

ZwischendurchHolz gemacht und aufgesetzt und das Handwerkszeug repariert. Jedes Ding hat seinenWert auf so einem Hof. Da wird nichts weggeworfen. Kein Ding. Kein Tier. Abends endet Wilhelms Tagwerk, kehrt der Hühnerhaufen glücklich in den Stall zurück und Ruhe ein. Und am Tag des Herrn spielt der Bauer in der Kirche die Orgel.

Der selbe Trott an jedem Tag,Wocheum Woche, jahrein, jahraus. Ist das ein Leben? Würden viele fragen.
O heiliger Bürokratius! Der Arbeit müde ist der Wilhelm nie geworden; der einzige Grund, warum
er die Landwirtschaft sofort an den Nägel hängen würde, ist die Bürokratie, die immer schlimmer wird, selbst für einen, der nur sein Tagwerk bestellt.

„Diese Vorschriften“, schimpft er. Müde? Nein. Urlaub hat Wilhelm Kübrich nur ein, zwei Mal gemacht, „ein paar Tage“, über die er gerne plaudert. Weil er im Urlaubsort hier und da ausgeholfen und eigentlich fast nur gearbeitet hat.Wie zuhause halt.


Quellenangabe: Fränkischer Tag / Hassberge - Autor und Fotos Günter Flegel

Für die gelisteten Darstellungen trägt der Autor die redaktionelle Verantwortung.

Die Informationen geben ausnahmslos die Meinung des Verfassers, nicht eine Stellungnahme unserer Organisation wieder. - Artenschutz im Steigerwald / Artenschutz in Franken




Seite:
1
|
2
|
3