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Heimat von Eichenbock und Eremiten
Der Bamberger Hain: Heimat von Eichenbock und Eremiten

03/04.01.2012

Der Bamberger Park ist für einzelne Großkäferarten von landesweiter Bedeutung.

Bamberg -
„Gott scheint eine besondere Vorliebe für Käfer zu haben“, antwortete der Evolutionsbiologe John Haldane (1892-1964) auf die Frage, welche Rückschlüsse man aus der Schöpfung wohl auf den Urheber derselben schließen könnte. Und in der Tat: 40 Prozent aller Insektenarten sind Käfer und 25 Prozent aller Tierarten überhaupt! Das bewahrt diese Insektenordnung allerdings nicht davor, ebenso wie andere Tiere durch die flächengreifende Lebensraumveränderung, die der Mensch verursacht, mitunter an den Rand des Aussterbens gedrängt zu werden.

Nicht nur im fernen Dschungel, sondern auch in Bamberg.

So ist etwa der Bestand des Großen Eichenbocks (Cerambyx cerdo), der nach Aussagen des Bamberger Käferexperten Rudolf Buck (†) in den 1950er Jahren noch zahlreich im Hain vorkam, auf wenige Exemplare geschrumpft. Damals habe man die Käfer mühelos sammeln können und als Kindervergnügen in kleinen Kartons gehalten.

Der Große Eichenbock ist einer der größten Käfer Deutschlands (bis fünf Zentimeter) und inzwischen vom Aussterben bedroht. Der kleine Bestand im Bamberger Hain stellt sein einziges Vorkommen in Bayern dar.

Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde der Hain von der Europäischen Union (EU) zum Schutzgebiet erklärt und ist Teil des europäischen Biotop-Netzes Natura 2000.

Daneben kommen im Bamberger Stadtpark noch andere gefährdete Großkäferarten vor wie der Hirschkäfer und der Eremit, jener Käfer, der unter dem Namen Juchtenkäfer beim Projekt „Stuttgart 21“ für Furore gesorgt hat.

Da ein Stadtpark wegen seiner starken Nutzung und des weitläufigen Wegenetzes intensiver gepflegt werden muss als ein Wald, nicht zuletzt aus Gründen der Verkehrssicherheit, kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen dem Sicherheitsbedürfnis und dem Artenschutz. Um hier einen guten Weg zu finden, wurde für den Hain ein so genanntes Parkpflegewerk erstellt, das sowohl Belange des Naturschutzes (Umweltamt, Regierung von Oberfranken), als auch der Denkmalpflege (Bürgerparkverein, Planungsbüro) und betriebswirtschaftliche Aspekte (für die Pflege zuständiges Gartenamt) berücksichtigt. Das bedeutet in der Praxis: Bevor in den Gehölzbestand eingegriffen wird, findet alljährlich im Herbst eine Begehung der Fachleute statt. Erforderliche Maßnahmen werden dann im Detail abgestimmt. Im Notfall muss auch einmal in den Bestand von „Käferbäumen“ eingegriffen werden.

Aber Käferbaum ist nicht gleich Käferbaum. Fraßspuren und Bohrlöcher von Eremit und Großem Eichenbock können Jahrzehnte alt sein. In solchen Bäumen können noch Käferlarven leben, vielleicht haben sie in aber auch schon lange verlassen.

Käferexperte auf Spurensuche

Diese immer wieder auftretende Fragestellung nahm die Naturschutzbehörde der Regierung heuer zum Anlass, eine aktuelle Kartierung der Holz bewohnenden Großkäfer von einem ausgewiesenen Experten durchführen zu lassen, dem Biologen Dr. Jürgen Schmidl von der Universität Erlangen-Nürnberg. Der Koleopterologe, wie Käferfachleute bezeichnet werden, schaute sich die alten Eichen im Hain in den vergangenen Monaten ganz genau an.

Und er fand, was er suchte: deutliche Fraßspuren von Eremit und Eichenbock und hie und da Kotreste am Fuß von Altbäumen. Das war zwar nur an einigen wenigen Bäumen der Fall, aber erfreulicherweise genau dort, wo Umweltamt, Stadtforst, Denkmalpflege und Gartenamt in der Vergangenheit Alteichen eigens zu diesem Zweck freigestellt hatten: an der Buger Spitze und zwischen Münchner Ring und Musikmuschel.

Eine stark besonnte Eiche an der Hainspitze stach dabei besonders hervor. Ihr Stamm wies Dutzende von aktuellen Schlupflöchern des sonst so seltenen Eichenbocks auf. Das sind etwa 1-Euro-große Löcher in der Borke, durch die die Käfer den Weg ins Freie finden, wenn sie sich einige Jahre lang im Holz als Larve vollgefressen und dort verpuppt haben. Die Bocklarven können erstaunlicherweise in die Zukunft schauen: Bevor sie sich verpuppen, nagen sie von innen kreisförmig die Borke an, um an dieser Stelle später, wenn sie sich in einen Käfer verwandelt haben, leichter nach draußen zu gelangen.

Eremit und Eichenbock leben als ausgewachsene Käfer nur ein paar Wochen. In dieser Zeit müssen sie sich fortpflanzen. Auf Grund der Kürze der Flugzeit sind die Imagines – so nennen Fachleute die voll entwickelten Käfer – nicht leicht zu beobachten. Man erkennt das Vorhandensein der beiden Arten eher an den Spuren und Resten, die sie hinterlassen: Bohrlöcher, Bohrmehl, Kotfelder, Chitinreste, zu denen sie sich nach ihrem Tod zersetzen, oder die ihre Räuber übrig gelassen haben. Meist am Stammfuß der Eichen findet man Fühler, Beine, Teile des Halsschildes, aber auch schon einmal einen chitinisierten Penis - klägliche Überreste der stattlichen Käfer.

Keine Kür, sondern Pflicht

Das Engagement der Fachleute, ihr Interesse an den Tieren, ist keine Kür, sondern Pflichtaufgabe. Mit der Meldung eines Natura-2000-Gebietes an die EU verpflichtet sich ein Mitgliedsstaat, dafür zu sorgen, dass die Lebensbedingungen der Zielarten sich nicht verschlechtern, sondern möglichst noch verbessern. Um das nachzuweisen, muss alle sechs Jahre ein Statusbericht nach Brüssel erfolgen.

Dafür braucht man natürlich Daten. Bei 11 Prozent Landesflächenanteil der Natura-2000-Gebiete in Bayern ist da einiges zu tun. Im Bamberger Stadtgebiet nehmen die europäischen Schutzgebiete ebenfalls etwa 11 Prozent ein, wobei der Bruderwald den Löwenanteil ausmacht. Daneben sind noch die Altenburgwiesen, die Regnitz im Süden, die Mainauen bei Bischberg und eben der Hain – insgesamt 600 Hektar – als so genannte Flora-Fauna-Habitat-Gebiete (FFH) gemeldet.

Biologe Schmidl erfasst aber nicht nur bereits besiedelte Altbäume, sondern auch solche, die in den nächsten Jahren als Brutbaum für die Käfer in Frage kommen. Während der Eichenbock, wie sein Name sagt, nur auf Eichen geht, ist der Eremit weniger wählerisch. Beide aber brauchen lebende Bäume in der Altersphase. Das heißt, sie müssen geschwächt, dürfen aber noch nicht abgestorben sein.

Bei seinen Bestandsaufnahme stützt sich der Käferexperte auf das Parkpflegewerk für den Hain aus dem Jahr 2004, in dem bereits Käfer- und Höhlenbäume erfasst wurden.

Mit der Arbeit von Schmidl wird man aber künftig wissen, in welchen Bäumen, Eichenbock und Eremit nicht nur irgendwann einmal lebten, sondern allem Anschein nach tatsächlich noch als Larve oder Puppe stecken. So wird man bei den anstehenden Pflegearbeiten im Winter ganz genau wissen, wo man mit Rücksicht auf diese vom Aussterben bedrohten Arten besonders vorsichtig sein muss.

Da der Eichenbock in Bayern nur noch im Bamberger Hain vorkommt, ist die Verantwortung groß. Eine einmal ausgestorbene Art lässt sich nicht zurückholen. Arthur Schopenhauer formulierte das auf seine bekannt spöttische Weise: „Jeder dumme Junge kann einen Käfer zertreten. Aber alle Professoren der Welt können keinen herstellen.“

Quellenangabe:
Fränkischer Tag / Bamberg /  03.01.2012 / Autor Dr. Jürgen Gerdes


Für die gelisteten Darstellungen trägt der Autor die redaktionelle Verantwortung.

Die Informationen geben ausnahmslos die Meinung des Verfassers, nicht eine Stellungnahme unserer Organisation wieder. - Artenschutz im Steigerwald / Artenschutz in Franken
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