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Im Sommer folgt die Erosion 28.12.2011
Im Sommer folgt die Erosion
Im Sommer folgt die Erosion
28.12.2011
Wer auf Umweltschutz Wert legt, sollte sich bei den Bergbahnbetreibern nach ihrer Pistenpflege erkundigen. Das rät Alpenexperte Werner Bätzing von der Uni Erlangen-Nürnberg.
Erlangen - Skifahrer kennen die Zweifel: Kann man guten Gewissens über künstlich beschneite Pisten schwingen? Die Schneekanonen schaden sicher der Natur, bringen das Ökosystem durcheinander. Ganz zu schweigen vom Wasserverbrauch. Alpenexperte Prof. Werner Bätzing von der Uni Erlangen-Nürnberg bewertet die Thematik pragmatisch: „Informieren Sie sich darüber, wie die Liftbetreiber die Pisten pflegen. Und fahren Sie mal im Sommer in die Skigebiete. Da können Sie den Zustand der Natur am besten beurteilen.“
Auch Bätzing selbst geht nur im Sommer in die Berge. Die Alpen sind sein Steckenpferd: Nachdem er Theologie und Philosophie studiert und eine Ausbildung zum Buchhändler gemacht hat, sattelte er mit 34 Jahren noch mal um – und studierte Geographie. „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht“, sagt der heute 62-Jährige und lacht. Seit 1995 ist er Professor für Kulturgeographie am Institut für Geographie der Universität Erlangen-Nürnberg. Den Alpen hat der Neu-Bamberger Bücher, Bibliographien und Monographien, Aufsätze und Artikel gewidmet und ist unter anderem wissenschaftlicher Berater der internationalen Alpenschutzkommission.
Tiefgreifende Veränderungen
Die Alpen. Sie sind ein beliebtes Urlaubsziel, zu allen Jahreszeiten. Wie der Tourismus und die Freizeitgestaltung umweltverträglich gestaltet werden können – diese Fragen treiben Bätzing um. „Die Bauern haben die Alpen tiefgreifend verändert, um Landwirtschaft betreiben zu können“, sagt der Geograph. Sie haben Äcker, Wiesen und Weiden angelegt, sie haben Wälder gerodet. „Sie haben das richtige Maß der Nutzung gefunden“, lobt Bätzing, „und ihre menschlich veränderten Flächen mit viel zusätzlicher Arbeit ökologisch stabilisiert“.
Das klingt, als müssten Skifahrer sich keine Gedanken mehr machen, wenn sie sich mit einem Jauchzer unter blauem Himmel in das Panorama stürzen? Auch, wenn die Pisten beschneit wurden? Jetzt muss man unterscheiden. „Auch Skipisten sind künstlich veränderte Ökosysteme, die dann praktisch ökologisch stabil bleiben, wenn sie mit einem sehr hohen Aufwand regelmäßig gepflegt werden“, macht Bätzing klar.
Außerdem dürfen sie nur bei bestimmten Bedingungen befahren werden: wenn genug Schnee liegt. Nach Bätzings Kenntnissen gibt es eine ganze Reihe von Bergbahngesellschaften, die diese Aufgabe „verantwortungsvoll wahrnehmen“. Andere tun das nicht. „Das hängt von der Bergbahn und deren Zielsetzung ab.“
Nach positiven und negativen Beispielen gefragt, muss Bätzing nicht lange überlegen. Die Skipisten im Gasteiner Tal seien, wie man im Sommer gut sehen könne, gepflegt. Während es hier keine Erosionsrinnen auf den Pisten gebe, seien die Rinnen im Ötztal bei Sölden im Sommer bis zu einem Meter tief. Besonders schlimm sieht es nach Bätzings Kenntnissen in der französischen Retortenstation Isola 2000 aus: „Im Sommer die reinsten Schotterpisten ohne einen Grashalm. Das ist die Bandbreite, die in den Alpen zu finden ist.“
Wer sich als Skifahrer umweltverträglich verhalten will, sollte sich im Sommer selbst ein Bild von den Skipisten machen oder sich vor dem Winterurlaub über die Pistenpflege der jeweiligen Bergbahn informieren. „Manche schreiben diese Infos bewusst in ihre Prospekte oder ins Internet“, sagt Bätzing. „Sie wissen, dass die Gäste sensibel geworden sind und sich für Umweltschutz interessieren.“ Und wenn es keine entsprechenden Infos gibt? Dann sollte man die Bergbahnen mit den Fragen konfrontieren. Vielleicht fruchtet das stetige Nachbohren irgendwann
Bätzings Fazit: „Wenn man wirklich konsequent sein möchte, sollte man nur dort Urlaub machen, wo es Auskünfte zur Pistenpflege gibt.“ Häufig seien das sogar kleinere Skigebiete, die im Vergleich zu den großen einen schweren Stand hätten. „Die kleinen gehen aus ökonomischen Gründen kaputt und die großen erhalten eine immer stärkere Position“, sagt Bätzing. Die Gäste verlangen Schneesicherheit, die oft nur mit künstlicher Beschneiung herzustellen ist. Das wiederum könnten sich nur große Skigebiete leisten.
Beschneiung bei 20 Grad plus
Im Pitztal und in Zermatt leisten sie sich das sogar bei 20 bis 30 Grad plus. Schneegestöber bei Sommertemperaturen? Der in Israel entwickelte Snowmaker kann das. Eigentlich dient er zur Meerwasserentsalzung, funktioniert aber im Prinzip wie eine riesige Eismaschine – und schafft es, Schnee bei Plusgraden zu produzieren.
„Jetzt schauen alle, wie sich das im Pitztal und in Zermatt entwickelt“, sagt Bätzing. Er schaut sich das nicht so gerne an. Er befürchtet, dass auch andere Skigebiete darauf einsteigen, sich die Investitionsspirale weiter dreht. Konsequenz: Der Skitourismus wird sich auf immer weniger große Gebiete konzentrieren, die sich die teure Beschneiung leisten können. „Und dann sind die kleinen Gebiete weg vom Fenster.“
Das passt zum neoliberalen Zeitgeist, den Bätzing kritisiert, weil sich alles auf Metropolen konzentriert – und ländliche Gebiete als Wirtschaftsstandorte und Tourismusregionen übersehen werden. Bätzing sagt: „Diese Sichtweise ist vollkommen falsch.“
Sowohl Franken als auch die Alpen bräuchten dezentrale Arbeitsplätze, umweltverträgliche Nutzung der Ressourcen und sozialverträgliches Wirtschaften. Deshalb engagiert sich der Kulturgeograph für die Aufwertung des ländlichen Raums. Dazu gehört auch: kleine Skigebiete zu erhalten.
Quellenangabe: Fränkischer Tag / Bayern / 28.12.2011 / Autor Irmtraud Fenn- Nebel
Für die gelisteten Darstellungen trägt der Autor die redaktionelle Verantwortung.
Die Informationen geben ausnahmslos die Meinung des Verfassers, nicht eine Stellungnahme unserer Organisation wieder. - Artenschutz im Steigerwald / Artenschutz in Franken
28.12.2011
Wer auf Umweltschutz Wert legt, sollte sich bei den Bergbahnbetreibern nach ihrer Pistenpflege erkundigen. Das rät Alpenexperte Werner Bätzing von der Uni Erlangen-Nürnberg.
Erlangen - Skifahrer kennen die Zweifel: Kann man guten Gewissens über künstlich beschneite Pisten schwingen? Die Schneekanonen schaden sicher der Natur, bringen das Ökosystem durcheinander. Ganz zu schweigen vom Wasserverbrauch. Alpenexperte Prof. Werner Bätzing von der Uni Erlangen-Nürnberg bewertet die Thematik pragmatisch: „Informieren Sie sich darüber, wie die Liftbetreiber die Pisten pflegen. Und fahren Sie mal im Sommer in die Skigebiete. Da können Sie den Zustand der Natur am besten beurteilen.“
Auch Bätzing selbst geht nur im Sommer in die Berge. Die Alpen sind sein Steckenpferd: Nachdem er Theologie und Philosophie studiert und eine Ausbildung zum Buchhändler gemacht hat, sattelte er mit 34 Jahren noch mal um – und studierte Geographie. „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht“, sagt der heute 62-Jährige und lacht. Seit 1995 ist er Professor für Kulturgeographie am Institut für Geographie der Universität Erlangen-Nürnberg. Den Alpen hat der Neu-Bamberger Bücher, Bibliographien und Monographien, Aufsätze und Artikel gewidmet und ist unter anderem wissenschaftlicher Berater der internationalen Alpenschutzkommission.
Tiefgreifende Veränderungen
Die Alpen. Sie sind ein beliebtes Urlaubsziel, zu allen Jahreszeiten. Wie der Tourismus und die Freizeitgestaltung umweltverträglich gestaltet werden können – diese Fragen treiben Bätzing um. „Die Bauern haben die Alpen tiefgreifend verändert, um Landwirtschaft betreiben zu können“, sagt der Geograph. Sie haben Äcker, Wiesen und Weiden angelegt, sie haben Wälder gerodet. „Sie haben das richtige Maß der Nutzung gefunden“, lobt Bätzing, „und ihre menschlich veränderten Flächen mit viel zusätzlicher Arbeit ökologisch stabilisiert“.
Das klingt, als müssten Skifahrer sich keine Gedanken mehr machen, wenn sie sich mit einem Jauchzer unter blauem Himmel in das Panorama stürzen? Auch, wenn die Pisten beschneit wurden? Jetzt muss man unterscheiden. „Auch Skipisten sind künstlich veränderte Ökosysteme, die dann praktisch ökologisch stabil bleiben, wenn sie mit einem sehr hohen Aufwand regelmäßig gepflegt werden“, macht Bätzing klar.
Außerdem dürfen sie nur bei bestimmten Bedingungen befahren werden: wenn genug Schnee liegt. Nach Bätzings Kenntnissen gibt es eine ganze Reihe von Bergbahngesellschaften, die diese Aufgabe „verantwortungsvoll wahrnehmen“. Andere tun das nicht. „Das hängt von der Bergbahn und deren Zielsetzung ab.“
Nach positiven und negativen Beispielen gefragt, muss Bätzing nicht lange überlegen. Die Skipisten im Gasteiner Tal seien, wie man im Sommer gut sehen könne, gepflegt. Während es hier keine Erosionsrinnen auf den Pisten gebe, seien die Rinnen im Ötztal bei Sölden im Sommer bis zu einem Meter tief. Besonders schlimm sieht es nach Bätzings Kenntnissen in der französischen Retortenstation Isola 2000 aus: „Im Sommer die reinsten Schotterpisten ohne einen Grashalm. Das ist die Bandbreite, die in den Alpen zu finden ist.“
Wer sich als Skifahrer umweltverträglich verhalten will, sollte sich im Sommer selbst ein Bild von den Skipisten machen oder sich vor dem Winterurlaub über die Pistenpflege der jeweiligen Bergbahn informieren. „Manche schreiben diese Infos bewusst in ihre Prospekte oder ins Internet“, sagt Bätzing. „Sie wissen, dass die Gäste sensibel geworden sind und sich für Umweltschutz interessieren.“ Und wenn es keine entsprechenden Infos gibt? Dann sollte man die Bergbahnen mit den Fragen konfrontieren. Vielleicht fruchtet das stetige Nachbohren irgendwann
Bätzings Fazit: „Wenn man wirklich konsequent sein möchte, sollte man nur dort Urlaub machen, wo es Auskünfte zur Pistenpflege gibt.“ Häufig seien das sogar kleinere Skigebiete, die im Vergleich zu den großen einen schweren Stand hätten. „Die kleinen gehen aus ökonomischen Gründen kaputt und die großen erhalten eine immer stärkere Position“, sagt Bätzing. Die Gäste verlangen Schneesicherheit, die oft nur mit künstlicher Beschneiung herzustellen ist. Das wiederum könnten sich nur große Skigebiete leisten.
Beschneiung bei 20 Grad plus
Im Pitztal und in Zermatt leisten sie sich das sogar bei 20 bis 30 Grad plus. Schneegestöber bei Sommertemperaturen? Der in Israel entwickelte Snowmaker kann das. Eigentlich dient er zur Meerwasserentsalzung, funktioniert aber im Prinzip wie eine riesige Eismaschine – und schafft es, Schnee bei Plusgraden zu produzieren.
„Jetzt schauen alle, wie sich das im Pitztal und in Zermatt entwickelt“, sagt Bätzing. Er schaut sich das nicht so gerne an. Er befürchtet, dass auch andere Skigebiete darauf einsteigen, sich die Investitionsspirale weiter dreht. Konsequenz: Der Skitourismus wird sich auf immer weniger große Gebiete konzentrieren, die sich die teure Beschneiung leisten können. „Und dann sind die kleinen Gebiete weg vom Fenster.“
Das passt zum neoliberalen Zeitgeist, den Bätzing kritisiert, weil sich alles auf Metropolen konzentriert – und ländliche Gebiete als Wirtschaftsstandorte und Tourismusregionen übersehen werden. Bätzing sagt: „Diese Sichtweise ist vollkommen falsch.“
Sowohl Franken als auch die Alpen bräuchten dezentrale Arbeitsplätze, umweltverträgliche Nutzung der Ressourcen und sozialverträgliches Wirtschaften. Deshalb engagiert sich der Kulturgeograph für die Aufwertung des ländlichen Raums. Dazu gehört auch: kleine Skigebiete zu erhalten.
Quellenangabe: Fränkischer Tag / Bayern / 28.12.2011 / Autor Irmtraud Fenn- Nebel
Für die gelisteten Darstellungen trägt der Autor die redaktionelle Verantwortung.
Die Informationen geben ausnahmslos die Meinung des Verfassers, nicht eine Stellungnahme unserer Organisation wieder. - Artenschutz im Steigerwald / Artenschutz in Franken
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