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Zur Kollosionswahrscheinlichkeit von Fledermäusen
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Publikationen zum Thema Fledermaus
Zur Kollisionswahrscheinlichkeit fliegender bzw. jagender Fledermäuse bei der Querung von Verkehrswegen

In der von den Muttertieren initiierten Flug- und Heimfinde- Lernphase, die mit der Auflö-sung der Wochenstuben einsetzt, lernen die nachgeborenen Jungtiere in kurzer Zeit, sich da-bei einerseits an sozialen Lockrufen als auch an Geländestrukturen zu orientieren. Beides kann ihnen später helfen, sich in ihrem Lebensraum zurecht zu finden, es kann ihnen aber auch unter bestimmten Voraussetzungen zum Verhängnis werden, z.B. wenn sie dabei kurz-zeitig verabsäumen, mittels Echoperception ihre Umwelt in jedem Augenblick sinnlich zu erfassen.

Die Gefahr entsteht für sie nicht dadurch, dass sie die Strukturen ihrer Flugrouten mosaikartig mit Echoabbildern erfassen und abspeichern, wohl aber dadurch, dass sie eine wiederholt be-flogene Strecke ab einem bestimmten Zeitpunkt wie ein Marschflugkörper, allein durch den Abruf der gespeicherten topografischen Strukturen, befliegen. Aus diesem Grunde werden sich schrittweise entwickelnde Strukturveränderungen auch nicht sofort erkannt und abgespei-chert. Offenbar kann dies erst und nur dann geschehen, wenn sie einzelne Passagen dieser Flugroute wieder mittels Echoperception befliegen. Was sie allerdings dazu veranlassen könn-te, ist ungeklärt.

Wenn sie auf diesen Blindflugrouten frequentierte Verkehrswege kreuzen, kommt es unter be-stimmten Voraussetzungen zwangsläufig zu Kollisionen mit dem fließenden Verkehr. Eine er-ste Orientierung hinsichtlich der Kollisionswahrscheinlichkeit mit dem die Flugbahn queren-den Fahrzeugen ermöglichen die artspezifischen Flughöhen. Wenn man sie in Beziehung zu den Fahrzeughöhen setzt, lassen sie 4 Gefährdungsgruppen definieren:

Gefährdungsgruppe I  

Sie schließt all die Arten ein, die auf Grund ihrer bevorzugten Flughöhen mit allen Fahrzeugen - Pkw, Lkw, Truck - unmittelbar kollidieren würden, wenn sie zeitgleich mit der anfliegenden Fledermaus den Querungspunkt erreichen.

Gefährdungsgruppe II

umfasst die Arten, die unter diesen Voraussetzungen nur noch mittelbar mit dem stark verwirbelten Fahrwind des Pkw aber unmittelbar mit den Lkw und Truck in kollidieren wür-den.

Gefährdungsgruppe III

umfasst die Arten, die ausschließlich im unteren Bereich ihre bevorzugten Flughöhen noch mittelbar mit dem stark verwirbelten Fahrwind der die Flugbahn querenden Lkw und Truck kollidieren würden.

Gefährdungsgruppe IV

betrifft Arten, die, bedingt durch ihre bevorzugten Flughöhen weder unmittelbar noch mit-telbar mit den die Flugbahnen querenden Fahrzeugen kollidieren würden.

Abbildung 1



Einen zweiten Anhaltspunkt würde die artspezifische Fluggeschwindigkeit bieten. Setzt man sie in Beziehung zur Geschwindigkeit der Fahrzeuge, könnte man die Anflugzeit durch die Fahrgeschwindigkeit dividieren, um ermitteln zu können in wie viel Sekunden es zur Kollisi-on kommen würde. Das Ergebnis würde lauten: Immer wenn die Fledermaus und das Fahr-zeug zeitgleich am Querungspunkt ankommen, ist eine Kollision vorprogrammiert. Letztend-lich ist es allein die Konstellation der sich Annähernden, ob es zu einer unmittelbaren, mittel-baren oder keiner Kollision kommen wird.

Um solche Kollisionen, auch wenn sie nicht gänzlich auszuschließen sind, maßgeblich zu minimieren, bleibt nur, diese Querungspunkte als solche, d.h. ohne Echoperception beflogene zu identifizieren, was mittels Detektor kein Problem ist, um geeignete Vorkehrungen treffen zu können. Eine Möglichkeit wäre die Anpflanzung einer mehrzeiligen, mehrschichtigen, dichten Hecke beiderseits der Querungsstelle in der erforderlichen Höhe von mindestens 5m, durch welche die Fledermäuse in eine andere Querungshöhe gezwungen werden.

Schwieriger ist in diesem Zusammenhang, deren optimale Breite zu definieren, um ein einfa-ches seitliches umfliegen weitgehend auszuschließen. Durch das Abwinkeln der Flanken ge-gen die Flugrichtung würde man dem entgegenwirken können, wenn dies z.B. im Winkel von 45° in der gebotenen Tiefe realisiert werden würde. An Stelle einer solchen beiderseits der Fahrbahnquerung anzupflanzenden Hecke könnte auch ein entsprechender „grüner Zaun“ ge-setzt werden, der sich mit schnellwüchsigen Kletterpflanzen wie z.B. Lonicera periclymenum

oder Clematis viltalba  ebenfalls gut in die Landschaft einfügen ließ. Objektspezifisch bedürf-te es hier einer fachkundigen Beratung.

Gänzlich anders stellt sich diese Situation bei der Echoperception der Fledermäuse dar, mit der echoortende Fledermäuse nach NEUWEILER (1993) die Echoquelle hinsichtlich ihrer Größe, Form und Oberflächenbeschaffenheit lokalisieren, differenzieren und zu identifizieren vermögen. Hier stellt sich natürlich die Frage, bis zu welcher Entfernung ihnen das möglich ist.

Nach SKIPA (2003) variieren die Hörbarkeitsgrenzen der einzelnen Arten zwischen 3 und 150 m. NEUWEILER (1993) orientiert bei der Reichweite auf „meist unter 20 m, maximal 50 bis 60 m“. Es schien mir sinnvoll, einige Erfahrungen dieser beiden Spezialisten zu überneh-men, um die späteren Berechnungen plausibel zu untersetzen.

Als die häufigsten Ortungssignale werden die mit einer abwärts modulierten Frequenz be-zeichnet. Sie beginnen zur Strukturerfassung mit einer hohen Frequenz mit geringerer Reichweite und enden mit einer die Entfernung zum echobildenden Objekt ermittelnden niedrigeren Frequenz von hoher Reichweite.

Sehr wichtig für die späteren Interpretationen ist die Erkenntnis, dass strukturgebunden flie-gende Fledermäuse einmal erkannte und gespeicherte Strukturen zur Orientierung auf ihren Flugrouten immer wieder abrufen. Vergleichbar mit einem Marschflugkörper, der nach einer topografischen Karte fliegt, bewältigen diese Fledermäuse ihre Flugrouten nach einem mosa-ikartig erfassten und zu einem Echobild abgespeicherten strukturellen Abbild ihrer Umwelt. Aus diesem Grunde werden strukturelle Veränderungen, die nach der Hörbildabspeicherung

auf diesen Strecken entstehen, auch nicht unmittelbar erfasst.

Daraus folgert, dass für die ausschließlich nach dem Zufallsprinzip die Flugroute querenden Fahrzeuge überhaupt keine gespeicherten Informationen abgerufen werden können. Die auf diesen Routen liegenden Verkehrsquerungen werden demzufolge im „Blindflug“ passiert. Da-raus resultiert zwangsläufig, dass es unter bestimmten Voraussetzungen an diesen Querungspunkten unweigerlich zu unmittelbaren und mittelbaren Kollisionen mit den querenden Fahrzeugen kommen wird.

Ganz anders sieht es aus, wenn diese Verkehrswege während des Jagdfluges mit Ultraschall-ortung angeflogen und gequert werden. Maßgebend dafür ist die weder schalldruck- noch frequenzanhängige Schallgeschwindigkeit, die allerdings durch Temperatur- und Luftfeuch-tigkeitsschwankungen modifiziert wird. Nach SKIPA (2003) verändert ein Grad Temperatur-differenz die Schallgeschwindigkeit um 0,6 m/s. Beträgt sie z. B bei 0 °C 331 m/s, erhöht sie sich bei 15 °C auf 340 m/s und bei 30 °C auf 349 m/s. Ihre Laufzeit vom Aussenden des Lau-tes bis zum Empfang des Echos/2 würde der Entfernung entsprechen, in der sich das echobil-dende Objekt befindet.

Unberücksichtigt für die Ermittlung der Kollisionswahrscheinlichkeit kann der beim Anflug auf das echobildende Objekt entstehende Dopplereffekt bleiben, der aus der ständigen Dis-tanzveränderung resultiert. Die dadurch entstehenden Frequenzveränderungen haben keinen Einfluss auf den Ultraschall.

Da wir als Feldbiologen aber nicht in der Haut der Fledermaus stecken, können wir zur Ermittlung der Kollisionswahrscheinlichkeit der Fledermäuse mit den unvermittelt die Flugbahn querenden Fahrzeugen nur auf die Schallgeschwindigkeit als Rechenfaktor zurück-greifen. Als zweiter Rechenfaktor stehen uns die ausgewiesenen Echogrenzen zur Verfügung.

Dividiert man sie durch die Fluggeschwindigkeit der Fledermaus, erhält man die Anflugzeit bis zum Querungspunkt. In den nachfolgenden Tabellen wird als Anflugentfernung die artspezifische Hörbarkeitsgrenze nach SKIPA (2003), unter dem Gesichtswinkel: was man hört, wird an einem echobildenden Objekt auch reflektiert, neben der 20m-, 50 m- und 60 m Echogrenze nach NEUWEILER (1993) berücksichtigt.

Als dritter Rechenfaktor und Multiplikator ist die Fahrzeuggeschwindigkeit zu berücksichti-gen, die für den Pkw mit 100 km/h = 22,78 m/s, für den Lkw und Truck mit 80 km/h = 22,22 m/s zu Grunde gelegt wird. Als vierter Rechenfaktor ist die jeweilige Fahrzeuglänge zu be-rücksichtigen, die für den Pkw mit 3,5 m, für den Lkw mit 10 m und für den Truck mit 15 m angenommen wird. Diese Rechenfaktoren sind für die entsprechende Fledermausart in Tabelle 1 zusammengefasst. Multipliziert man die Anflugzeit mit der Fahrzeit des querenden Fahrzeugs, erhält man die zwischenzeitlich vom Fahrzeug zurück gelegte Fahrstrecke vom Augenblick der Erfassung des Echobildes.

Beispiel 1: Ein Pkw. von 3,5 m Länge nähert sich der Fluglinie der Fledermaus mit 22,78m/s. Eine Große Hufeisennase (Rhinolophus ferrumequinum) würde das erste Echobild aus einer Entfernung von 10,0 m empfangen. Bei einer Fluggeschwindigkeit von 3,333 m/s würde sie mit dem querenden Fahrzeug nach 3,0 Sekunden kollidieren. Innerhalb dieser 3 Sekunden hat sich der Pkw allerdings bereits 68,34 m, d.h., um 19,52 Fahrzeuglängen zurückgelegt, d.h., er ist 18,53 vom möglichen Kollisionspunkt entfernt. Bei dieser Entfernung bestünde weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Kollisionsgefahr selbst wenn die Fledermaus kein Aus-weichmanöver fliegen würde.

Beispiel 2: Ein mit 80 km/h fahrender Lkw von 12 m Länge nähert sich der Flugroute der Fledermaus mit 22,22 m/s, Die Große Hufeisennase würde das erste Echobild aus einer Ent-fernung von 10 m empfangen. Bei einer Fluggeschwindigkeit von 6,944 m/s würde sie den Querungspunkt nach 1,440 Sekunden erreichen. Innerhalb dieser Anflugzeit hat sich der Lkw bereits 21,99 m, d.h., knapp 3 Fahrzeuglängen vom Querungspunkt entfernt. Bei dieser Entfernung bestünde trotz eines seitlichen Ausweichmanövers die Gefahr einer mittelbaren Kollision mit dem stark verwirbelten Fahrtwind.

Beispiel 3: Ein mit 80 km/h fahrender Truck von 15 m Länge nähert sich der Flugroute der Fledermaus ebenfalls mit 22,22 m/s. De Große Hufeisennase ((Rhinolophus ferrumequinum)

Würde das erste Echobild aus einer Entfernung von 10 m empfangen. Bei einer Fluggeschwindigkeit von 3,333 m/s würde sie mit dem Fahrzeug nach 3,000 Sekunden kolli-dieren. Innerhalb dieser 3 Sekunden hat sich der Truck 51,11 m, d.h. 3,44 Fahrzeuglängen vom Querungspunkt entfernt. Auch in diesem Falle würde es trotz seitlichen Ausweichmanö-vers zu einer mittelbaren Kollision mit dem stark verwirbelten Fahrtwind kommen. Für die mittelbare Kollisionswirksamkeit des stark verwirbelten Fahrtwindes wird die 5-fache Fahr-zeuglänge angenommen.

Die in Tabelle 2 und 3 zusammengestellten Berechnungen können nur als eine erste Orientier-ung verstanden werden, weil, ebenso wie in den Beispielen 1-3, die Reaktionsfähigkeit der Fledermäuse unberücksichtigt blieb. Hier fehlen noch gezielte Beobachtungen, aus welcher Entfernung jagende Fledermäuse auf Fahrzeuge reagieren. Angenommen werden kann: Je geringer der Reaktionsabstand, desto höher die Kollisionswahrscheinlichkeit. Ob dem aber tatsächlich so ist, bleibt vorerst unbeantwortet. Mit dieser Kenntnis würde sich die Kollisions-wahrscheinlichkeit erheblich präzisieren lassen.

Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang ökologische Leitstrukturen? Betrachtet man sie unter dem Gesichtswinkel der Hörbarkeitsgrenze nach SKIPA (2003) oder der Echogren- zen nach NEUWEILER (1993), wurde dies zu der Schlussfolgerung führen: Wenn die struk-turgebunden fliegenden Fledermäuse ihre Echobilder nur bis zur artspezifischen Echogrenze empfangen, würde das bedeuten, dass eine Lücke in der ökologischen Leitstruktur, die da-rüber hinausgeht, kein Hörbild mehr liefert. Die Fledermaus müsste, wenn sie kein anderes echobildendes Objekt innerhalb ihrer Echogrenze ausmachen kann, die Flugroute abbrechen und zurück fliegen.

Welche Konsequenzen sich daraus ableiten, wird bewusst, wenn man weiß, das Chausseebäu-me z.B. im Abstand von 25 m stehen. Würden 3 Bäume ausfallen, wäre diese ökologische Leitstruktur bei einseitiger Bepflanzung zu Ende. Bei beidseitiger Bepflanzung bestünde noch die Möglichkeit auf die andere Straßenseite auszuweichen, sofern deren Breite nicht die Echo-grenze überschreitet. Eine Ausnahme wäre eine „grüne Brücke“ über ausladende Kronenbe-reiche. In der Feldbeobachtung reflektiert sich dieser Sachverhalt in den eigenwilligen Flug-routen, der Fledermäuse, die oftmals weit von der direkten Luftlinie zum Zielgebiet abwei-chen. Diese Sachverhalte sind wichtige Anhaltspunkte, die bei Eingriffen in die Landschaft ebenso zu berücksichtigen sind wie bei der Entscheidung für eine angemessene, dem Artenschutz dienliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen.

Bodo Stratmann

Naumburg (Saale) im Mai 2006

Abbildung 1         Kollisionswahrscheinlichkeit heimischer Fledermäuse bei der Querung von Verkehrsadern

Tabelle 1               Parameter zur Berechnung der Kollisionswahrscheinlichkeit jagender Fledermäuse bei der Querung von Verkehrswegen. (auf der nächsten Seite)
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