Sie alle engagieren sich gemeinsam mit Artenschutz in Franken® für eine intakte Umwelt
ARTENSCHUTZ IN FRANKEN®

Im Sinne uns nachfolgender Generationen
Ausgezeichnet

Home

Über Uns

Aktuelles

Der Steigerwald

Diverses

Pflanzen

Projekte

Publikationen

Tiere

Umweltbildung

Webcams
Die meisten Arten sind schon weg
Die meisten Arten sind schon weg

12.04.2012

Nicht nur die Sandgrasnelke ist weitgehend aus dem Biotop im ehemaligen Kanalbett der Büg verschwunden. Warum? Darüber streiten amtliche und ehrenamtliche Naturschützer.

Eggolsheim - ( Ofr. )
Das Schutzgebiet am ehemaligen Ludwig-Donau-Main-Kanal (LDM) ist im Laufe von zehn Jahren zerstört worden. Ein aktuelles Gutachten der Universität Erlangen belegt: „Die meisten wertgebenden Arten wurden nicht mehr gefunden.“ Die so genannten Anzeiger für den schützenwerten Trockenrasen in dem 20 000 Quadratmeter großen Gelände sei um 55 Prozent gesunken. Gleichzeitig seien die „Anzeiger“ für die unerwünschten Nährstoffe und für Feuchtigkeit um 126 Prozent gestiegen. Soweit die unbestrittenen Untersuchungen der Gutachter.

Umstritten dagegen ist diese Frage: Wie konnte es dazu kommen? Seit Juni 2004 ist das Areal entlang des alten LDM-Kanals ein Natur- und Vogelschutzgebiet. Und es ist als sogenanntes FFH-Gebiet (europäisches Schutzgebiet, das den Fauna-Flora-Habitat-Richtlinien unterliegt) ausgewiesen.

Seit Jahren wird über das Mulchen im Schutzgebiet gestritten. Mulchen ist eine Form der Landschaftspflege. Dabei werden die Flächen gemäht und das Mulchgut bleibt liegen und verrottet. Die so entstehenden Nähstoffeinträge „sind tödlich für den geschützten Magerrasen und die Arten, die dort leben“, sagt Eduard Zöbelein, Chef der Eggolsheimer Ortsgruppe des Bund Naturschutz. Er ärgert sich, dass eigens ein „Managementplan“ erstellt wurde. „Das Mulchen im Schutzgebiet ist verboten, aber der Managementplan bleibt ohne Folgen.“

Claus Schwarzmann, der Eggolsheimer Bürgermeister, sagt rückblickend auf den jahrelangen Streit: „Es ging darum, den Standort freizuhalten von Brombeeren, Disteln und Schlehen.“ Vier Jahre lang sei „ohne böse Absicht gemulcht worden, es galt nicht als problematisch“. Die Schädlichkeit des Mulchens auf dem Magerrasen „wurde erst 2008 ein Thema“. Schwarzmann weist die Vorwürfe zurück, mit böser Absicht gemulcht zu haben: „Wir haben in der ganzen Gemeinde Magerstandorte, die abgemäht werden. Vielleicht bin ich nicht Fachmann genug.“ Nachdem die Proteste der Naturschützer nicht verebbten, habe er sich an Regierung gewandt: „Ich wollte Klarheit haben.“

In den letzten beiden Jahren entspann sich ein Brief- und E-Mail-Wechsel zwischen Naturschützern, Behörden und Staatsanwaltschaft. Dieser Austausch an Informationen und Vorwürfen dokumentiert, dass das anfangs verbotene Mulchen schließlich erlaubt wurde.

Heinz Marquart (Vorsitzender der Schöffl-Stiftung) spricht von einer „brutalen Missachtung des Naturschutzes“. Er und die Vertreter des BN und des LBV werden nun juristisch dagegen vorgehen. Grundlage ist das Gutachten der Universität Erlangen. BN-Aktivist Zöbelein fragt, ob die amtlichen Naturschützer „einen Meineid geschworen haben“? Die Gesetze seien nicht eingehalten worden.

Claus Schwarzmann empfindet das Vorgehen der Naturschützer als „höchst unangemessen“. Er werde zur „Zielscheibe gemacht, aber nicht eingebunden“. Etwa kenne er das aktuelle Gutachten von Professor Nezadal nicht, dessen Arbeit er grundsätzlich schätze. Wenn das Mulchen die von Nezadal beschriebenen Folgen habe, sei er zu einem neuen Umgang in der Landschaftspflege bereit, sagt Schwarzmann: „Wenn es heute anders gewünscht wird, mach ich es gerne auch anders.“


Quellenangabe: Fränkischer Tag / 11.04.2012 / Autor Ekkehard Roepert

Wie aus einem Verbot eine Erlaubnis wurde

12.04.2012


6. Dezember 2010 Regierungsdirektor Peter Schindler (Regierung in Bayreuth) teilt dem Landratsamt Forchheim mit: Das Mähen des Kanalbettes „unterfällt dem Verbot“ der Schutzverordnung.

12. April 2011   Regierungsamtsrat Hedler aus Bayreuth schreibt dem Landratsamt: Ja, es gebe Halbtrockenrasen; ja, es gebe „typische Arten“ wie die Karthäusernelke und die Zauneidechse, aber für diese Arten sei das Mulchen „aus fachlicher Sicht durchaus geeignet“.

29. Mai 2011 Heinz Marquart (Vorsitzender des CSU-Arbeitskreises Umwelt und Vorsitzender der Schöffl-Stiftung) protestiert gegen das Mulchen und gegen die Schafe, die durch das Schutzgebiet getrieben werden. Er mailt an den Juristen Reinhold Göller (am Landratsamt für den Naturschutz zuständig): Über 400 Schafe seien am 29. Mai durch das Schutzgebiet getrieben worden, „mitten in der Bruttätigkeit der Bodenbrüter“. Das sei ein Verstoß gegen die Naturschutzgesetz-, aber auch gegen die FFH- und die Vogelschutzgebietsverordnung. Die Weideaktion bezeichnete Heinz Marquart als „Anordnung einer Landschaftspflegemaßnahme zur Unzeit“. Er zeigt Claus Schwarzmann an, den Vorsitzenden des Landschaftspflegeverbandes. Begründung: „Das Bayerische Natschutzgesetz schützt von März bis August die Hecken in Feld und Flur.“

31. Mai 2011 Göller geht auf Marquarts Argumente nicht ein: Die Beweidungsaktion (400 Schafe) sei nicht durch den Landschaftspflegeverband veranlasst: „Die Beweidung durch die Schafe erfolgte kostenfrei.“ Zudem sei „der überwiegende Teil der Kanaltrasse nicht als Lebensraum kartiert“. Nach Abstimmung mit der Regierung sei „die Offenhaltung der Kanaltrasse zu gewährleisten“. Die Beweidung diene „seit Jahren der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Naturschutzgebietes“. Fazit: Kein Verstoß gegen Naturschutz.

Am 27. Juli 2011 Regierungsdirektor Bührle (Bayreuth) schreibt Marquart: „Die mit Regierung und Landratsamt abgestimmten Beweidungs- und Mulchmaßnahmen dienen dem Pflegeziel der Offenhaltug der Fläche am Kanalgrund.“

13. Oktober 2011 Nach der Anzeige von Heinz Marquart legt Reinhold Göller den Fall der Kriminalpolizei schriftlich dar: Bereits im Jahr 2010 habe es Proteste von Marquart gegeben; daher habe er, Göller, die Höhere Naturschutzbehörde in Bayreuth am Verfahren beteiligt. Im Dezember 2010 habe Bayreuth mitgeteilt, dass das Mähen im Kanalbett seit 2004 verboten sei. Ausnahmen gebe es nicht! Daher habe er, Göller, den Markt Eggolsheim am 14. Dezember 2010 darauf hingewiesen, künftig bei der Regierung „eine Befreiung von den Verboten der Schutzgebiets-Verordnung zu beantragen“. Wegen „der Geringfügigkeit des Verstoßes“, so ließ Göller die Polizei wissen, „wurde kein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet“. Nachdem Eggolsheim angefragt habe, wie künftig die Verbuschung verhindert werden soll, habe er sich am 4. Februar 2011 erneut an Bayreuth gewandt. Am 6. Mai habe Bayreuth mitgeteilt: Mulchen sei „durchaus geeignet“.

16. November 2011 Staatsanwalt Spintler (Bamberg) stellte das Verfahren gegen Bürgermeister Schwarzmann und Regierungspräsident Wenning ein. Marquart hatte Wenning vorgeworfen, das Abweiden und das „Abmulchen“ geduldet und sich „wegen Rechtsbeugung strafbar gemacht zu haben“. Der Staatsanwalt übernimmt die Deutung der Naturschutzbehörden und beruft sich auf Göller, spricht von einer „relativ geringen naturschutzrechtlichen Wertigkeit“ des Geländes. Abweiden und Abmulchen sei „grundsätzlich geeignet“. Was das Mulchen 2010 betrifft: Es sei nicht zugelassen worden, aber eine Strafbarkeit sei nicht nachweisbar.

Quellenangabe: Fränkischer Tag / 11.04.2012 /


Kommentar

Höherer Naturschutz opfert geschützte Arten

12.4.2012


Im Streit um den Magerrasen in der Büg prallen die ehrenamtlichen und die amtlichen Naturschützer aufeinander. Das wirkt höchst paradox, denn: Die Ehrenamtlichen pochen genau auf das Recht, auf das die Vertreter der Höheren Naturschutzbehörde eingeschworen sind.

Dass beide Lager dasselbe wollen, aber sich doch nicht einig werden, hat einen verblüffend einfachen Grund: Die Behördenvertreter in Bayreuth und Forchheim sind nicht willens oder vielleicht auch fachlich gar nicht fähig, den Naturschutz zu begreifen. Das offenbart der Brief- und E-Mail-Wechsel in dieser Sache. Da verbietet etwa das Gesetz das Mulchen im Naturschutzgebiet.

Nachdem aber gemulcht wurde, untersucht die Behörde nicht die Folgen, sondern gibt eine Ausnahmegenehmigung. Aus der Ausnahme wird dann ein Mittel, das „grundsätzlich geeignet“ sei. Und Detail-Argumente der Protestierenden werden mit juristischen Floskeln wie „relativ geringen naturschutzrechtlichen Wertigkeit“ oder „Geringfügigkeit des Verstoßes“ abgewürgt.

Hinter diesen Begriffen offenbart sich ein Denken, das auch in einer aktuellen Stellungnahme zum Ausdruck kommt. Zur Lage in der Büg befragt, antwortet die Pressestelle der Regierung: „Laut Managementplanung handelt es sich bei den Flächen, die bisher gemulcht wurden, nicht um besonders schutzwürdige Teile des Naturschutzgebietes. Solche konnten daher auch nicht durch Mulchen zerstört werden.“

Der Naturschutz wird hier in Kategorien wie „schutzwürdig“ und „besonders schutzwürdig “ zerlegt. Kategorien, die in der Natur aber leider nicht vorkommen. Folge: Die Hälfte der schützenswerten Arten im Biotop des alten Kanalbettes sind weggemulcht. Sie wurden dem Höheren Naturschutz geopfert.

Quellenangabe: Fränkischer Tag / 11.04.2012 /


Für die gelisteten Darstellungen trägt der Autor die redaktionelle Verantwortung.

Die Informationen geben ausnahmslos die Meinung des Verfassers, nicht eine Stellungnahme unserer Organisation wieder. - Artenschutz im Steigerwald / Artenschutz in Franken