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Eins, zwei, drei im Sauenschritt
Eins, zwei, drei im Sauenschritt

19.04.2012

Wildschweine drohen zum Problem zu werden, weil sie sich rasend schnell vermehren. Davor warnen die Jäger auch im Landkreis. Jüngste Unfälle lassen aufhorchen. Die Kreisgruppe Haßfurt will Schwarzwild bei ihrer Hegeschau ansprechen.


Kreis Haßberge -
Schweine werden häufig unterschätzt. So Mancher musste sich in seinem Leben von einem Mitmenschen vielleicht schon mal als „dumme Sau“ bezeichnen lassen. Das ist nicht in Ordnung, denn mag der Beschimpfte auch noch so dumm sein: Schweine sind es nicht. Und Wildschweine schon gar nicht.
„Die sind richtig clever und schwer zu bejagen“, sagt Hans Stark, Direktor des Forstamts Sailershausen der Universität Würzburg. „Sie haben geschärfte Sinne und weichen dem Jagddruck aus.“ Das heißt, sie fallen auf irgendwelche Tricks der Jäger höchstens einmal rein.

„Wildschweine sind nachtaktiv“, erklärt Rudolf Meyer, Vorsitzender der Kreisgruppe Haßfurt im Bayerischen Jagdverband. „Das heißt, man kann sie meist nur jagen, wenn der Mond hell genug scheint.“ Ist das der Fall, sitzt der Jäger im Hochsitz und wartet auf die Tiere, die er mit entsprechendem Futtermittel geködert hat (in der Jägersprache nennt man das „kirren“). Wird eines der Schweine geschossen, war’s das erstmal: „Die lassen sich dort einige Wochen nicht mehr blicken“, erklärt Meyer. Der erfahrene Jäger ist fast angetan von soviel Schläue. Angesprochen auf den immer wieder diskutierten Vorschlag, den Einsatz von Nachtsichtgeräten zu erlauben, sagt er: „Das hat doch mit Jagd wenig zu tun.“ Das sei den Tieren gegenüber fast schon unfair. „Außerdem ist es kaum bezahlbar.“ Ein gutes Nachtsichtgerät koste 10 000 bis 12 000 Euro. Ein vernünftiger Jäger sei kaum bereit, soviel Geld für eine fragwürdige Jagd-Methode auszugeben.


Das Wildschwein fühlt sich wohl

Das Thema Schwarzwild steht bei der Kreisgruppe Haßfurt auf der Tagesordnung, weil in Medien immer wieder von regelrechten Wildschweinplagen zu lesen ist. Davon kann hier nicht die Rede sein. „Bei uns im Landkreis war die Streckenentwicklung rückläufig“, sagt Forstdirektor Stark. Das heißt, es wurden weniger Tiere geschossen. Das muss aber nicht heißen, dass es weniger Wildschweine gibt als vor einigen Jahren. Und: Ihre Population kann sich in nur einem Jahr verdreifachen, wenn die Bedingungen stimmen. Und die sind zur Zeit hervorragend. „Mittlerweile ist fast jedes zweite Jahr ein Mastjahr“, erklärt Rudolf Meyer. Mastjahr bedeutet: Die Bäume schmeißen besonders viele Früchte. Das war früher alle vier bis fünf Jahre der Fall. Zu dem guten Nahrungsangebot in den hiesigen Buchen- und Eichenwäldern komme jetzt noch der Feldanbau dazu, sagt Meyer.

Denn viele Landwirte setzen im Zuge der Energiewende und dem damit verbundenen Bau von Biogasanlagen auf den Maisanbau. Sozusagen die Leibspeise der Wildschweine (siehe Artikel unten). In den großen Feldern finden die Tiere hervorragend Deckung. Meyer: „Die kriegt man da auch nicht so leicht raus.“ Eine Wildschweinrotte kann sich in so einem Feld regelrecht einnisten. Sie weichen aus, wenn die Jäger versuchen, sie aus dem Mais zu treiben, aber das Feld verlassen, das kommt den Tieren nicht in den Sinn. Da muss schon der Mähdrescher kommen, und selbst dann harren sie aus, bis es nicht mehr geht.

Das Problem, das die Jäger damit haben, ist das finanzielle Risiko: Die meisten Pachtverträge, die mit den Grundbesitzern über die Jagdgenossenschaft geschlossen werden, sehen vor, dass der Jäger dem Flächeneigentümer entstandene Wildschäden voll ersetzt. Eine Regelung, die nur dann gut geht, wenn die Wildtierpopulation im Gleichgewicht ist. Eine Aufgabe, die eigentlich die Jäger übernehmen. Die sich aber als schwierig erweist, wenn das Wild so schwer zu bejagen ist wie im Fall der Wildschweine. „Wie man Schwarzwild von den Feldern abhalten kann, das muss noch erfunden werden“, sagt Rudolf Meyer. Eine effektive Möglichkeit der Bestandsreduzierung ist die Drückjagd, bei der die Tiere aus einem Gebiet den Jägern direkt vors Gewehr getrieben werden. Aber die ist nur von Oktober bis Januar sinnvoll: dazwischen gibt es Schonzeiten. Bachen (ältere weibliche Wildschweine) und Keiler (ältere männliche Wildschweine) dürfen von Mitte Juni bis Januar gejagt werden. Führende Bachen (Leittiere) dürfen das ganze Jahr über nicht geschossen werden. Frischlinge (einjährige Tiere) und Überläufer (ein- bis zweijährige Tiere) haben keine Schonzeit. Eine Drückjagd vor Oktober ist aber auch nicht sinnvoll, denn die Schweine finden gut Deckung im noch dicht bewachsenen Wald, die Sicht auf das Wild ist schlecht.


Unfälle und Angriffe

Von Wildschweinen war im Landkreis in jüngster Zeit häufiger die Rede. Als vor einigen Tagen zwischen Kimmelsbach und Stöckach ein Autofahrer in eine Rotte Wildschweine fuhr, wurden mit einem Schlag elf Tiere getötet. Vor einigen Wochen wurde bei Eltmann ein Mann von einem Keiler angegriffen und schwer verletzt. Beide Ereignisse seien sehr außergewöhnlich, sagt Forstdirektor Hans Stark. Zwar deute etwa eine Zunahme der Wildunfälle auch auf einen Anstieg der Population hin. Konkret will er eine drohende Wildschweinplage mit solchen Ereignissen wie den beiden Vorfällen aber nicht in Verbindung bringen. „Was in Eltmann passiert ist, war schon extrem. Das kommt ganz selten vor.“ Und auch, dass bei einem Unfall elf Tiere auf einmal getötet werden, sei nicht normal. In der Regel seien Wildschweine schlau genug, um sogar vielbefahrene Straßen sicher zu überqueren. Elf auf einen Streich „das gab es meines Wissens noch nie“, sagt Stark. Es müsse sich um eine sehr große Rotte von bis zu 30 Tieren gehandelt haben. Zehn bis 15 Rotten dieser Größe vermutet Stark im Landkreis.

Die Tiere werden sich hier voraussichtlich auch in Zukunft wohlfühlen. Und vermehren. Auch, wenn kaum ein Jäger von einer Plage sprechen will: Das Thema bleibt im Blickfeld. Die Kreisgruppe Haßfurt hat zu ihrer Hegeschau im Bürgersaal in Ebelsbach am Samstag (21. April, ab 19.30 Uhr) einen Schwarzwildexperten eingeladen. Neben der obligatorischen Jagdtrophäen-Schau gibt das sicherlich viel Gesprächsstoff.


Quellenangabe: Fränkischer Tag / Hassberge / 18.04.2012 / Autor Andreas Lösch


Für die gelisteten Darstellungen trägt der Autor die redaktionelle Verantwortung.

Die Informationen geben ausnahmslos die Meinung des Verfassers, nicht eine Stellungnahme unserer Organisation wieder. - Artenschutz im Steigerwald / Artenschutz in Franken