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Wie die Lockstrom-Pumpe dem Bemessungsfisch hilft
Wie die Lockstrom-Pumpe dem Bemessungsfisch hilft

31.03.2012

Der Main war einst ein Tummelplatz für Lachse und anderes schmackhaftes Getier.

Wie die Lockstrom-Pumpe dem Bemessungsfisch hilft

Der Main war einst ein Tummelplatz für Lachse und anderes schmackhaftes Getier.

Mit dem Ausbau zur Großwasserstraße wurden ihnen die Wanderrouten abgeschnitten. Jetzt rudert der Bundesverkehrsminister zurück. Das Problem ist, den Wassertieren zu sagen, wohin sie schwimmen sollen. Und wohin besser nicht.

Kreis Haßberge -
Wenn er nur stumm wäre wie ein Fisch, der Fisch, dann ginge das ja noch an. Aber lesen kann er auch nicht, und damit wird der amtlich genormte „Bemessungsfisch“ zum Problemfisch für die Wasserstraßenverwaltung. Zu so einem großen Problem, dass der Bundesverkehrsminister die Angelegenheit zur Chefsache erklärt: Im Main sollen sich bald wieder die Lachse aalen.

Das hat vielleicht damit zu tun, dass Peter Ramsauer (CSU) passionierter Angler ist, aber vor allem verfolgt Helko Fröhners oberster Dienstherr höhere Ziele, weiß der stellvertretende Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes in Schweinfurt. „Im tiefsten Inneren waren wir ja schon immer eine grüne Behörde“, sagt Fröhner. „Aber jetzt haben wir es schwarz auf weiß.“

Priorisierungsprojekt

Was seit kurzem auf der Agenda der Schifffahrtsbehörden steht, heißt im trockenen Bundeswasserstraßen-Verwaltungsdeutsch so: „Priorisierungskonzept zur Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit“. Im Klartext: Der Bundesverkehrsminister und die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) wollen in den nächsten 15 Jahren eine Milliarde Euro ausgeben, um 250 Staustufen so umzubauen, dass sie für Fische nicht mehr unüberwindbar sind. Auf der Liste steht auch der Main.

Eine Milliarde geteilt durch 250: Das ergibt vier Millionen Euro pro Schleuse. Wie viele Euros sind das pro Fisch? Fröhner lacht, aber das Lachen klingt gequält: „Wenn an unseren Einrichtungen etwas gemacht werden muss, dann werden die Größenverhältnisse schnell gewaltig und die Kosten immens“.

Sein Kollege Oliver Flach muss zur Fischfrage einräumen, dass es bislang noch keinen Zensus bei den Wasserbewohnern im Main gegeben hat. Aber: „Da schwimmt schon einiges“, sagt er, was man nicht zuletzt aus den Erfahrungen von einem Projekt an der Staustufe Randersacker ablesen kann. Dort wurde vor Jahren der Versuch gestartet, die betagte Fischtreppe durch einen Bypass, einen 1,3 Kilometer langen künstlichen Bachlauf um die Schleuse herum, zu ersetzen.

Siehe da: Im Bächlein tummelt sich eine beachtliche Artenvielfalt. Aber auch die Treppe wird genutzt. „Manche Fische steigen gerne, andere gründeln lieber“, versuchen die Schiffsexperten des Amtes, die überdies zu Fischexperten werden sollen, die Logik des Lebens unter Wasser zu ergründen.

Fakt ist, und da müssen Fröhner und Flach nicht erst die Flut von Publikationen der BfG und der anderen Fachbehörden lesen, die das Thema Fisch am Haken haben: Die Fischtreppen, mit denen am Main 33 der 34 Schleusen (nur Viereth hat keine) schon beim Bau ab 1925 ausgestattet wurden, sind veraltet und für die meisten Wasserlebewesen weder Fisch noch Fleisch.


Veraltetes Konzept


„Das Konzept taugt nur teilweise“, sagt Fröhner, wobei der Schifffahrtsfachmann Neuland betritt wie die Wissenschaft, die beim Versuch, die Wanderungen der Fische zu verstehen, noch am Anfang steht. Sie sind geheimnisvoll wie der Vogelzug. Wie findet der stumme Fisch, der jahrelang durch die Weltmeere gestromert ist, über tausende Kilometer und über alle Hindernisse hinweg zurück zu dem Bach, in dem er einst aus dem Ei geschlüpft ist? Nur, um selbst Eier zu legen und dann das Zeitliche zu segnen?

Die Fische verfügen wie die Zugvögel über eine Art „Navi“. Mit unglaublicher Präzision prägen sie sich Details der Gewässer ein, durch die sie gewandert sind, wobei unter anderem die Strömung eine Rolle spielt. Auch deshalb hat der Mainausbau einst dem Lachs den Garaus gemacht: Weil der Fluss gestaut und damit die natürliche Strömung unterbrochen wurde, wissen die Fische nicht mehr, wohin sie sich wenden sollen.

Dabei galt der Main einst als der „fischreichste Fluss in Germanien“. Zeitzeugen berichten noch im späten 19. Jahrhundert von dem Gewimmel: So konnte man, wie der unterfränkische Fischer-Kreisverein 1889 schreibt, zu der Wanderzeit der Nasen die Fische mit bloßen Händen aus dem Mainwasser schöpfen.

Zum Fisch-Schlaraffenland wird der Main wohl nie wieder werden, dazu nutzen zu viele Nicht-Fische diesen Fluss: Binnenschiffer, Freizeitkapitäne, Industrie und Kraftwerke. „Aber wenn der Lachs wieder heimisch würde, dann wäre das ein schöner Erfolg“ für das „grüne“ Wasser- und Schifffahrtsamt, sagt Fröhner.

Das mit dem Lachs kommt nicht von ungefähr: Dieses Wassertier ist der „Bemessungsfisch“ für die Wanderhilfen, die am Main gebaut wurden und gebaut werden müssen. Deren Dimensionierung richtet sich nach dem größten anzunehmenden Fisch. Und das ist im Main der Lachs („und zum Glück nicht der Wels oder andere Brummer“, so Fröhner).

Simulierte Strömung

Dem Fisch über die Barrieren zu helfen (und ihm zu zeigen, wohin er schwimmen muss), ist Ramsauers Ziel. Dazu könnten neben den Treppen neue „Umgehungswasserstraßen“ dienen, aber auch technische Maßnahmen. So fahren etwa heute schon die Betreiber der Main-Kraftwerke kurzzeitig die Wehre hoch, wenn die Aale wandern.
Erfolgversprechende Versuche laufen mit Pumpen, die im gestauten Main die natürliche Strömung simulieren. Lockstrom-Pumpen heißt so was im trockenen Techniker-Deutsch. Viel Aufwand, der dem Fisch hoffentlich nicht sch(n)uppe ist.

Mit dem Ausbau zur Großwasserstraße wurden ihnen die Wanderrouten abgeschnitten. Jetzt rudert der Bundesverkehrsminister zurück. Das Problem ist, den Wassertieren zu sagen, wohin sie schwimmen sollen. Und wohin besser nicht.



Quellenangabe: Fränkischer Tag / Kreis Hassberge / 31.03.2012  / Autor Günter Flegel

Für die gelisteten Darstellungen trägt der Autor die redaktionelle Verantwortung.

Die Informationen geben ausnahmslos die Meinung des Verfassers, nicht eine Stellungnahme unserer Organisation wieder. - Artenschutz im Steigerwald / Artenschutz in Franken