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Das Grün lässt auf sich warten 21.07.2012
Das Grün lässt auf sich warten
Das Grün lässt auf sich warten
21.07.2012
Im Herbst hat das Bauamt für 38 000 Euro eine Wildrasenfläche am Berliner Ring zugeschottert und mit exotischen Arten bepflanzt. Halten die damaligen Versprechungen einer Überprüfung stand? Ein Ortstermin weckt Zweifel.
Bamberg - Es war nur eine 2200 Quadratmeter große Schotterfläche am südlichen Berliner Ring, aber der Streit, den sie auslöste, schlug Wellen bis zum Bayerischen Rechnungshof.Wo täglich 20 000 Autofahrer die Stadtautobahn auf und ab flitzen, erlitt der Bamberger Umweltschutz die schwerste Schlappe seit Jahren. Heimischer Sandmagerrassen wurde weggebaggert und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durch eine exotische Pflanzengesellschaft namens Silbersommer ersetzt. Ein schwerer Vorwurf in einer Stadt, die für ihr Naturschutzkonzept schon Preise einheimste.
Nach über zehn Monaten stellt sich die Frage: Wer hat den Bamberger Rasenkrieg gewonnen? Wie sehen die Flächen aus, von denen das Bauamt im September 2011 in einer Presseerklärung behauptet hatte, sie würden sich bis zum Beginn der Gartenschau in eine ansehnliche Begrünung verwandeln?
Ortstermin am Berliner Ring Höhe Forchheimer Straße. Wer hier nach blühenden Landschaften fahndet, sucht vergeblich. Es gibt sie nicht, den Fahnen der Gartenschau zum Trotz, die wacker im Wind wehen. Nackt wie eine drei Wochen alte Baustelle sieht der Mittelstreifen aus. Die kleinen Pflänzchen, die sich mühsam halten, wecken eher Mitleid als Freude.
Der überraschende Umbau einer Sand- in eine Kalkschottergesellschaft hatte Ende 2011 zwei veritable Verbände aufgeschreckt. Der Landesbund für Vogelschutz und der Verkehrsclub Deutschland beschwerten sich beim Bayerischen Rechnungshof – wegen Steuergeldverschwendung und eines Verstoßes gegen ökologische Standards. Beim Anblick des Schotterstreifens runzeln Experten auch im Juli 2012 noch die Stirn. Was wenige wissen: Die nur einmal im Jahr gemähten Grünstreifen links und rechts des Berliner Rings sind eine Insel der Artenvielfalt. Bis zu 100 verschiedene Gräser-, Kräuter- und Wildblumenarten hat der Pflanzenkenner Hermann Bösche hier schon gezählt – auf einer Distanz von nur 100 Metern.
Dagegen kommt ihm das, was jetzt auf der Verkehrsinsel wächst, suspekt vor. Zuchtformen von Sandnelken identifizierte Bösche, aber eben nicht die heimische Art; Salbei und Wolfsmilchgewächse wachsen hier, kultivierte Formen der Schafgarbe, das kanadische Berufkraut – „alles dubioses Zeug, was bei uns so nicht vorkommt und auch den Tieren nichts nutzt“, sagt Bösche.
Doch es gibt eine zweite Erkenntnis: Der „Silbersommer“ bekommt Gesellschaft. Überall auf der Steinöde siedeln sich heimische Arten an: Beginnend an den Bordsteinen schmuggeln sich Kompasslattich, Quecke, Gänsedistel ein. Auch Steinklee lässt sich nicht lange bitten und nutzt den sonnigen Standort. Kehrt etwa die wilde Natur auf die Wüstenei des Bauamts zurück? Hermann Bösche wundert es nicht, dass die Exoten nicht unter sich bleiben. „Da wird ständig Staub und Reifenabrieb eingetragen. So können auch andere Pflanzen keimen.“
Bisher war Mähen nicht nötig
Im Gegensatz zu den gepflanzten Arten sehen die Wildkräuter allerdings deutlich üppiger aus. Ein Widerspruch, der das Bauamt nicht irritiert. Dieselbe Behörde, die sehr zur Freude von Herman Bösche an der Autobahnauffahrt auch großflächig Sandmagerrasenflächen schützt, sieht sich bei der Entwicklung des Mittelstreifens am Ring voll im Plan. „Die Natur braucht eben ein, zwei Jahre“, sagt Andreas Eisgruber. Für ihn ist wichtig, dass der Staat durch die Schotterung mittelfristig Geld spart. „Unser Pflegeaufwand für die Fläche liegt bislang bei null.“ Dafür muss man wissen: Das Bauamt hat den Wechsel vor allem damit begründet, dass die Kosten für das Mähen von Naturrasenflächen deutlich schrumpfen sollen. Bereits nach vier Jahren könnte sich der Einsatz von 38 000 Euro amortisiert haben. Doch es gibt Zweifel, ob dies zutrifft. Wie Jürgen Gerdes, Biologe vom Umweltamt der Stadt Bamberg, sagt, sind es gerade die zufliegenden Wildkräuter, die anfangs bei Kiesflächen für einen erheblichen Mehraufwand sorgen. Zudem werden auch die Grünstreifen am Berliner Ring meist nur einmal im Jahr gemäht. „Man kann sich an einer Hand abzählen, wie oft man eine 2200 Quadratmeter große Fläche für 38 000 Euro mähen kann“, sagt Gerdes.
Streiten kann man über die optische Wirkung der Kiesflächen an der südlichen Stadteinfahrt. Es soll Menschen geben, denen das gefällt. Anna Maria Welsch-Bomba gehört nicht zu ihnen: „Das ist für Bamberg kein Aushängeschild“, sagt die Frau, die mehrmals in der Woche nach Forchheim und Lichtenfels fährt. Am meisten freut sie sich zur Zeit über die blühenden Straßenränder im Norden der Stadt: „Eine Augenweide.“
In der Aufnahme
Pflanzenkenner wie der Geograph Hermann Bösche halten die Neupflanzung am Berliner Ring für einen Rückfall in alte Zeiten. Eine sinnvolle Lösung wäre es seiner Meinung nach gewesen, die heimische Pflanzenwelt zu integrieren statt wegzubaggern. Dass die Exoten lange zum Anwachsen brauchen, zeigt sich jetzt. Die Pflanzen sind alle noch sehr mickrig.
Quellenangabe Fränkischer Tag Bamberg / 19.07.2012 / Autor und Fotos Michael Wehner
Für die gelisteten Darstellungen trägt der Autor die redaktionelle Verantwortung.
Die Informationen geben ausnahmslos die Meinung des Verfassers, nicht eine Stellungnahme unserer Organisation wieder. - Artenschutz im Steigerwald / Artenschutz in Franken
21.07.2012
Im Herbst hat das Bauamt für 38 000 Euro eine Wildrasenfläche am Berliner Ring zugeschottert und mit exotischen Arten bepflanzt. Halten die damaligen Versprechungen einer Überprüfung stand? Ein Ortstermin weckt Zweifel.
Bamberg - Es war nur eine 2200 Quadratmeter große Schotterfläche am südlichen Berliner Ring, aber der Streit, den sie auslöste, schlug Wellen bis zum Bayerischen Rechnungshof.Wo täglich 20 000 Autofahrer die Stadtautobahn auf und ab flitzen, erlitt der Bamberger Umweltschutz die schwerste Schlappe seit Jahren. Heimischer Sandmagerrassen wurde weggebaggert und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durch eine exotische Pflanzengesellschaft namens Silbersommer ersetzt. Ein schwerer Vorwurf in einer Stadt, die für ihr Naturschutzkonzept schon Preise einheimste.
Nach über zehn Monaten stellt sich die Frage: Wer hat den Bamberger Rasenkrieg gewonnen? Wie sehen die Flächen aus, von denen das Bauamt im September 2011 in einer Presseerklärung behauptet hatte, sie würden sich bis zum Beginn der Gartenschau in eine ansehnliche Begrünung verwandeln?
Ortstermin am Berliner Ring Höhe Forchheimer Straße. Wer hier nach blühenden Landschaften fahndet, sucht vergeblich. Es gibt sie nicht, den Fahnen der Gartenschau zum Trotz, die wacker im Wind wehen. Nackt wie eine drei Wochen alte Baustelle sieht der Mittelstreifen aus. Die kleinen Pflänzchen, die sich mühsam halten, wecken eher Mitleid als Freude.
Der überraschende Umbau einer Sand- in eine Kalkschottergesellschaft hatte Ende 2011 zwei veritable Verbände aufgeschreckt. Der Landesbund für Vogelschutz und der Verkehrsclub Deutschland beschwerten sich beim Bayerischen Rechnungshof – wegen Steuergeldverschwendung und eines Verstoßes gegen ökologische Standards. Beim Anblick des Schotterstreifens runzeln Experten auch im Juli 2012 noch die Stirn. Was wenige wissen: Die nur einmal im Jahr gemähten Grünstreifen links und rechts des Berliner Rings sind eine Insel der Artenvielfalt. Bis zu 100 verschiedene Gräser-, Kräuter- und Wildblumenarten hat der Pflanzenkenner Hermann Bösche hier schon gezählt – auf einer Distanz von nur 100 Metern.
Dagegen kommt ihm das, was jetzt auf der Verkehrsinsel wächst, suspekt vor. Zuchtformen von Sandnelken identifizierte Bösche, aber eben nicht die heimische Art; Salbei und Wolfsmilchgewächse wachsen hier, kultivierte Formen der Schafgarbe, das kanadische Berufkraut – „alles dubioses Zeug, was bei uns so nicht vorkommt und auch den Tieren nichts nutzt“, sagt Bösche.
Doch es gibt eine zweite Erkenntnis: Der „Silbersommer“ bekommt Gesellschaft. Überall auf der Steinöde siedeln sich heimische Arten an: Beginnend an den Bordsteinen schmuggeln sich Kompasslattich, Quecke, Gänsedistel ein. Auch Steinklee lässt sich nicht lange bitten und nutzt den sonnigen Standort. Kehrt etwa die wilde Natur auf die Wüstenei des Bauamts zurück? Hermann Bösche wundert es nicht, dass die Exoten nicht unter sich bleiben. „Da wird ständig Staub und Reifenabrieb eingetragen. So können auch andere Pflanzen keimen.“
Bisher war Mähen nicht nötig
Im Gegensatz zu den gepflanzten Arten sehen die Wildkräuter allerdings deutlich üppiger aus. Ein Widerspruch, der das Bauamt nicht irritiert. Dieselbe Behörde, die sehr zur Freude von Herman Bösche an der Autobahnauffahrt auch großflächig Sandmagerrasenflächen schützt, sieht sich bei der Entwicklung des Mittelstreifens am Ring voll im Plan. „Die Natur braucht eben ein, zwei Jahre“, sagt Andreas Eisgruber. Für ihn ist wichtig, dass der Staat durch die Schotterung mittelfristig Geld spart. „Unser Pflegeaufwand für die Fläche liegt bislang bei null.“ Dafür muss man wissen: Das Bauamt hat den Wechsel vor allem damit begründet, dass die Kosten für das Mähen von Naturrasenflächen deutlich schrumpfen sollen. Bereits nach vier Jahren könnte sich der Einsatz von 38 000 Euro amortisiert haben. Doch es gibt Zweifel, ob dies zutrifft. Wie Jürgen Gerdes, Biologe vom Umweltamt der Stadt Bamberg, sagt, sind es gerade die zufliegenden Wildkräuter, die anfangs bei Kiesflächen für einen erheblichen Mehraufwand sorgen. Zudem werden auch die Grünstreifen am Berliner Ring meist nur einmal im Jahr gemäht. „Man kann sich an einer Hand abzählen, wie oft man eine 2200 Quadratmeter große Fläche für 38 000 Euro mähen kann“, sagt Gerdes.
Streiten kann man über die optische Wirkung der Kiesflächen an der südlichen Stadteinfahrt. Es soll Menschen geben, denen das gefällt. Anna Maria Welsch-Bomba gehört nicht zu ihnen: „Das ist für Bamberg kein Aushängeschild“, sagt die Frau, die mehrmals in der Woche nach Forchheim und Lichtenfels fährt. Am meisten freut sie sich zur Zeit über die blühenden Straßenränder im Norden der Stadt: „Eine Augenweide.“
In der Aufnahme
Pflanzenkenner wie der Geograph Hermann Bösche halten die Neupflanzung am Berliner Ring für einen Rückfall in alte Zeiten. Eine sinnvolle Lösung wäre es seiner Meinung nach gewesen, die heimische Pflanzenwelt zu integrieren statt wegzubaggern. Dass die Exoten lange zum Anwachsen brauchen, zeigt sich jetzt. Die Pflanzen sind alle noch sehr mickrig.
Quellenangabe Fränkischer Tag Bamberg / 19.07.2012 / Autor und Fotos Michael Wehner
Für die gelisteten Darstellungen trägt der Autor die redaktionelle Verantwortung.
Die Informationen geben ausnahmslos die Meinung des Verfassers, nicht eine Stellungnahme unserer Organisation wieder. - Artenschutz im Steigerwald / Artenschutz in Franken
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